Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflegeversicherung. Kostenübernahme. überdachter Freisitz im Garten

 

Leitsatz (amtlich)

Die Schaffung eines überdachten Freisitzes im Garten ist nicht als Maßnahme der Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes iS des § 40 Abs 4 SGB 11 zu qualifizieren.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 26.04.2001; Aktenzeichen B 3 P 15/00 R)

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten einen finanziellen Zuschuss für Maßnahmen zur Verbesserung seines individuellen Wohnumfeldes (§ 40 Abs 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Elftes Buch -- SGB XI -- Soziale Pflegeversicherung vom 26. Mai 1994 -- BGBl I S 1014).

Der 1933 geboren Kläger ist Pflegebedürftiger im Umfang der Pflegestufe III. In dem Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Niedersachsen (MDKN) vom 09. Juni 1997 ist als pflegebegründende Diagnose ein Zustand bei seniler Demenz vom Morbus-Alzheimer-Typ sowie eine komplette Inkontinenz genannt. Zu den pflegebegründenden Befunden wird ua vermerkt, der Kläger sei nicht orientiert, koordinierte Handlungsabläufe seien nicht mehr gegeben, der Kläger sei auf den Rollstuhl angewiesen und können diesen nicht eigenständig nutzen.

Mit Schreiben vom 05. März 1998 beantragte der Kläger einen Zuschuss für die Herstellung eines überdachten Sitzplatzes in seinem Garten. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18. Juni 1998 ab. Zur Begründung führte sie aus, die Voraussetzungen des § 40 Abs 4 SGB XI seien nicht gegeben, da die beantragte Maßnahme nicht zur Erleichterung der Pflege oder Linderung der Beschwerden bzw zur Ermöglichung einer selbständigen Lebensführung dienten. Mit seinem dagegen gerichteten Widerspruch vom 03, Juli 1998 machte der Kläger geltend, er bewohne ein Haus mit Hochparterre, bei dem sich das Erdgeschoß etwa 2 m über dem Boden befinde. Er sei im Erdgeschoß untergebracht. Frische Luft tue ihm gut und lindere seine Beschwerden und habe im Übrigen einen guten Einfluss ein sein Allgemeinbefinden. Aus diesem Grund sei es sein Bestreben, möglichst häufig seine Zeit im Garten zu verbringen. Dazu müsse er mit dem Rollstuhl über eine an das Wohnzimmer angrenzende Treppe in den Garten verbracht werden. Dies könne seine Ehefrau jedoch nicht alleine, sondern nur mit fremder Hilfe. Das Problem könnte mit einem Treppenlifter gelöst werden. Ein solcher Lifter koste jedoch 32.000,00 DM und könne von ihm, dem Kläger, nicht bezahlt werden. Ein überdachter Sitzplatz im Garten könne Abhilfe schaffen, und zwar insofern, als er bei plötzlichem Witterungsumschwung vorübergehend Schutz vor Nässe böte, bis fremde Hilfe eingetroffen sei, um ihn, den Kläger, wieder ins Wohnhaus zu befördern. Wenn bedacht werde, dass ein Treppenlifter bezuschusst würde, müsse die ins Auge gefasste "kleine Lösung" erst Recht eine Förderung erfahren.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. September 1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, es werde nicht bestritten, dass die Einrichtung eines überdachten Gartensitzplatzes das individuelle Umfeld verbessere und durchaus sinnvoll sei. Dies alleine führe jedoch nicht bereits zu einer Kostenübernahmepflicht der Beklagten. Die beantragte Maßnahme diene nicht vordergründig der Pflege. Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Umfeldes sollten den Pflegebedürftigen bei den gewöhnlichen und wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens unterstützen und eine eigenständige Übernahme der Verrichtung zum Ziel haben. Dies treffe jedoch auf den überdachten Gartenplatz nicht zu. Auch ohne diesen sei die Pflege des Klägers möglich und durchführbar. Es sei auch nicht ersichtlich, wie durch einen Gartensitzplatz eine Erleichterung der Pflege herbeizuführen sei, denn die durchzuführenden Pflegeeinrichtungen blieben in Art und Umfang unverändert. Letztlich trage die Maßnahme auch nicht zur Wiederherstellung einer selbständigen Lebensführung des Klägers bei. Unter Beachtung der Zielsetzung der §§ 4, 40 Abs 4 SGB XI sei es nicht Aufgabe der Pflegekasse Maßnahmen zu bezuschussen, die -- wie hier -- den Begleiterscheinungen bestimmter Erkrankungen entgegenwirkten. Der beantragte Gartensitzplatz begründe kein Anspruch nach § 40 Abs 4 SGB XI, da es sich um eine Maßnahme zur Verbesserung der Lebensqualität handele.

Gegen den -- am 12. September 1998 zugestellten -- Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 09. Oktober 1998 Klage erhoben. Zu ihrer Begründung hat er vorgetragen, die Errichtung eines überdachten Gartensitzplatzes würde seine Situation allgemein verbessern, weil er sich dann häufiger draußen aufhalten könnte. Natürlich würde die Verbesserung nicht dazu führen, dass er nunmehr selbständiger würde. Der Aufenthalt im Freien würde aber zur Verbesserung seines Wohlbefindens führen und schon deshalb seiner Ehefrau die Pflege erleichtern.

Das Sozialgericht (SG) Oldenburg hat mit Urteil vom 23. November 1999 die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassun...

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