Entscheidungsstichwort (Thema)

soziale Pflegeversicherung. Pflichtmitgliedschaft freiwillig Krankenversicherter ist verfassungsgemäß

 

Leitsatz (amtlich)

Die Pflichtmitgliedschaft freiwillig Krankenversicherter in der sozialen Pflegeversicherung ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zur Zahlung von Beiträgen zur Sozialen Pflegeversicherung (§§ 1 Abs 2 Satz 1, 20 Abs 3 Sozialgesetzbuch, Elftes Buch - SGB XI - vom 26.05.1994 - BGBl I S. 1014).

Der 1943 geborene Kläger war seit 1961 Pflichtmitglied der gesetzlichen Krankenversicherung bei der B. Ersatzkasse. Seit 1981 ist er aufgrund einer Tätigkeit als selbständiger Börsenmakler freiwilliges Mitglied dieser Kasse. Mit Schreiben vom 6. Februar 1995 wandte er sich gegenüber der bei der B. Ersatzkasse errichteten Pflegekasse (Beklagte) gegen seine Heranziehung zu Beiträgen zur Sozialen Pflegeversicherung. Mit Bescheid vom 4. April 1995 idF des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 1995 stellte die Beklagte die Pflichtmitgliedschaft des Klägers in der Sozialen Pflegeversicherung fest. Der Kläger sei bei der B. Ersatzkasse freiwilliges Mitglied der Krankenversicherung und demgemäß, da er einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 22 SGB XI nicht gestellt habe, bei der Beklagten Pflichtmitglied in der Sozialen Pflegeversicherung (§§ 1 Abs 2 Satz 1, 20 Abs 3 SGB XI).

Vor dem Sozialgericht (SG) Hannover hat der Kläger vorgetragen, die entsprechenden Vorschriften über die Regelung der Versicherungspflicht in der Sozialen Pflegeversicherung seien mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. § 20 SGB XI verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz zum einen schon deshalb, weil Pflichtmitglieder in der Sozialen Pflegeversicherung nur Pflichtmitglieder oder freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung, dagegen nicht solche Personen seien, die der gesetzlichen Krankenversicherung weder als Pflichtmitglieder noch freiwillig angehörten. Darin liege eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung. Die Begründung des Gesetzgebers, bei dem von der Sozialen Pflegeversicherung nicht erfaßten Personenkreis handele es sich nach Schätzungen allenfalls um 2 % der Bevölkerung, sei durch entsprechende Erhebungen nicht belegt. Eine genauere Feststellung des nicht in die Pflegeversicherung einbezogenen Personenkreises sei auch nicht durch den Hinweis auf einen großen Verwaltungsaufwand als entbehrlich zu erachten. Abgesehen davon bleibe unerfindlich, wie der Gesetzgeber zu der Annahme komme, daß der nichterfaßte Personenkreis allenfalls 2 % der Bevölkerung betrage, wenn er genauere Feststellungen nicht getroffen habe. Die Regelung des § 20 SGB XI sei zum anderen auch deshalb mit Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) nicht vereinbar, weil sie den Personenkreis der freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten durch zwingende Heranziehung zur Zahlung von Beiträgen für die Soziale Pflegeversicherung gegenüber der übrigen erwerbstätigen Bevölkerung benachteilige. Herrschendes Prinzip der gesetzlichen Krankenversicherung und Rentenversicherung sei es, diejenigen nicht der Versicherungspflicht zu unterwerfen, die über ein hinreichendes Einkommen verfügten, um die Risiken der Rentenversicherung und der Krankenversicherung aus eigenen Mitteln zu tragen. Von der privaten Kranken-und Altersvorsorge profitiere die Allgemeinheit, weil das hierauf verwandte erhebliche Kapital, das ansonsten in die gesetzliche Renten- und Krankenversicherung fließen würde, der Wirtschaft und damit auch der Allgemeinheit zugute komme. Darauf beruhten letztlich die vom Staat (ua diesem Personenkreis) gewährten Steuervorteile. Damit korrespondiere der Grundsatz, daß der Pflichtkranken- und -rentenversicherte im Ergebnis einen höheren Steuervorteil als der von der Versicherungspflicht Befreite genieße. Bei dem Personenkreis der Pflichtversicherten werde nur die Hälfte der Beiträge von den Freibeträgen für die Altersvorsorge abgezogen. Die Befreiten müßten dagegen - bei gleicher Zahlung - einen Teil der Alters- und Gesundheitsvorsorge von versteuertem Geld entrichten. Denn bei Zugrundelegung des vollständig an die Versicherungsträger zu zahlenden Betrages sei der steuerliche Freibetrag schon bei mittlerem Einkommen schnell überschritten. Die Regelungen über die Beitragspflicht zur Sozialen Pflegeversicherung seien schließlich auch deshalb grundgesetzwidrig, weil sie keine Übergangsregelung für jene vorsähen, die durch anderweitige finanzielle Dispositionen als den Abschluß einer privaten Pflegeversicherung für dieses Risiko Vorsorge getroffen hätten.

Das SG Hannover hat die Klage durch Urteil vom 13. März 1996 abgewiesen. Der Kläger sei nach Maßgabe der §§ 57 Abs 4 Satz 1, 55 Abs 4 SGB XI beitragspflichtig gegenüber der Beklagten, bei der er aufgrund der Regelungen des § 20 Abs 3 SGB XI Pflichtmitglied der Sozialen Pflegeversicherung sei. Von der Befreiungsmöglichkeit des § 22 SGB XI habe er keinen Gebrauch gemacht. Die Regelungen über die Mitglie...

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