Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld. Wahlrecht des Geschäftspersonals von konsularischen Dienststellen. Anwendung auf Ehegatten

 

Leitsatz (amtlich)

Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden gemäß Art 177 Abs 2 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

a) Hat die Entscheidung eines Mitglieds des Geschäftspersonals einer konsularischen Dienststelle nach Art 16 Abs 2 S 1 EWGV 1408/71 für die Anwendung der Rechtsvorschriften des entsendenden Mitgliedstaates, dessen Staatsangehöriger er ist, zugleich Wirkung für seinen - nicht im konsularischen Dienst stehenden - Ehegatten, der ebenfalls Angehöriger des entsendenden Mitgliedstaates ist, oder sind auf den Ehegatten die Rechtsvorschriften des entsendenden Mitgliedstaates nur dann anzuwenden, sofern sich dieser selbst ebenfalls für ihre Anwendung entscheidet?

b) Sofern die Entscheidung des im konsularischen Dienst stehenden Staatsangehörigen zugleich Wirkung für seinen Ehegatten entfaltet: Setzt die Wirksamkeit der Entscheidung für die Anwendung der Rechtsvorschriften des entsendenden Mitgliedstaates die Zustimmung oder sonst eine Mitwirkung des mitbetroffenen Ehegatten voraus?

 

Gründe

Die Klägerin und ihr Ehegatte sind spanische Staatsangehörige und leben im Bundesgebiet. Der Ehemann der Klägerin ist Angestellter des spanischen Generalkonsulats in H., er hat sich nach Art 16 Abs 2 Satz 1 der VO (EWG) Nr 1408/71 für die Anwendung der spanischen Rechtsvorschriften entschieden. Die Klägerin selbst ist - mit Ausnahme einer nicht sozialversicherungspflichtigen geringfügigen Tätigkeit als Haushaltshilfe seit November 1994 - nicht erwerbstätig, sie hat keine Entscheidung nach Art 16 Abs 2 Satz 1 der genannten Verordnung getroffen.

Im vorliegenden Rechtsstreit wendet sie sich dagegen, daß die Beklagte unter Berufung auf die vom Ehemann getroffene Entscheidung für die Anwendung der spanischen Rechtsvorschriften ihr das zuvor für ihre beiden Söhne R. und M. bewilligte Kindergeld (unter Zugrundelegung des maßgeblichen letzten Änderungsbescheides vom 24. Januar 1995) mit Wirkung vom 1. Februar 1995 entzogen hat. Die Klägerin ist im Gegensatz zu der Beklagten der Rechtsauffassung, daß die von ihrem Ehemann nach Art 16 Abs 2 der genannten Verordnung getroffene Entscheidung Rechtswirkungen nur für den Ehemann, nicht aber für sie als Ehegattin entfalten könne. Kindergeld nach spanischem Recht beziehen weder die Klägerin noch ihr Ehemann, weil die Einkünfte der Familie die nach spanischem Recht maßgeblichen Einkommensgrenzen übersteigen.

Die Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit hängt davon ab, ob das bundesdeutsche Kindergeldrecht auf die Klägerin anzuwenden ist. Dies wird wiederum dadurch bedingt, ob die von ihrem Ehemann getroffene Entscheidung zur Anwendbarkeit der spanischen Sozialrechtsvorschriften auch Rechtswirkungen zu Lasten der Klägerin entfaltet.

Der vom Rechtsstreit betroffene Kindergeldanspruch der Klägerin unterfällt dem sachlichen Geltungsbereich der VO (EWG) Nr 1408/71, da es als Familienleistung iS des Art 4 Abs 1 lit. h zu werten ist. Dies gilt sowohl für den Anspruchszeitraum bis zum 31. Dezember 1995, während dessen sich der Kindergeldanspruch nach den Bestimmungen des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) idF der Bekanntmachung vom 31.01.1994, BGBl I S. 168, 701) beurteilte (vgl BSG, Urteil vom 15.12.1992 - 10 RKg 18/91 - SozR 3-6050 Art 13 EWG V 1408/71 Nr 3) als auch nach Maßgabe der ab dem 1. Januar 1996 geltenden Bestimmungen der §§ 62 ff Einkommensteuergesetz (EStG) idF des Gesetzes vom 11. Oktober 1995 (BGBl I S. 1250). Für das ab Januar 1996 nach Maßgabe des EStG zu gewährenden Kindergeldes gilt dies jedenfalls dann, wenn dieses - wie im Falle der keine Steuern nach bundesdeutschem Recht entrichtenden Klägerin - nicht der steuerlichen Freistellung eines Einkommensbetrages in Höhe des Existenzminimums eines Kindes iS des § 31 Abs 1 Satz 1 EStG zu dienen bestimmt ist. Für solche Fälle sieht § 31 Abs 1 Satz 2 EStG ausdrücklich vor, daß das Kindergeld "der Förderung der Familie" dient.

Die Klägerin unterfällt auch dem persönlichen Anwendungsbereich der VO (EWG) Nr 1408/71. Ihr Ehegatte ist als Angestellter des spanischen Generalkonsulats in H., der sich in Anwendung des Art 16 Abs 2 Satz 1 der Verordnung für die Anwendung der spanischen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit entschieden hat, bei der spanischen Sozialversicherung versichert und damit Arbeitnehmer iS des Art 1 Buchst a/i der Verordnung ist. Dies hat nach Art 2 Abs 1 der Verordnung zur Folge, daß diese Verordnung auch auf die Klägerin als Familienangehörige Anwendung findet.

In Art 13 Abs 1 der Verordnung geht der Verordnungsgeber von dem Grundsatz aus, daß die der Verordnung unterliegenden Personen den Regeln nur eines einzigen Mitgliedstaates unterliegen. Die folgenden Vorschriften des Art 13 Abs 2 bis Art 17 a (mit Ausnahme des Art 14 c) enthalten Vorschriften, in denen im einzelnen festgelegt ist, welcher Mi...

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