Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Urkundsbeweis. nicht vom beauftragten Arzt erstelltes Gutachten. sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Schwerbehindertenrecht. GdB-Feststellung. Versorgungsmedizinische Grundsätze. Merkzeichen G und RF. Rücknahme

 

Orientierungssatz

1. Auch wenn die gutachterlichen Untersuchungen bzw Feststellungen nicht durch den von der Versorgungsbehörde beauftragten Arzt (hier Klinikdirektor) selbst vorgenommen bzw getroffen worden sind, sondern von anderen Ärzten (hier Oberarzt und Assistenzarzt), bestehen keine Bedenken, das Gutachten im Wege des Urkundsbeweises (vgl § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 415 ff ZPO) der Entscheidung des Gerichts zugrunde zu legen. Ein Verwertungsausschluss käme nur in Frage, wenn es sich um einen gerichtlich bestellten Gutachter und damit um einen Sachverständigenbeweis iS des § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 402 ff ZPO handeln würde (vgl BSG vom 18.9.2003 - B 9 VU 2/03 B = SozR 4-1750 § 407a Nr 1 und vom 5.5.2009 - B 13 R 535/08 B).

2. Zur Feststellung des Grads der Behinderung (GdB) nach den in der Anlage zu § 2 VersMedV geregelten Versorgungsmedizinischen Grundsätzen, insbesondere wegen einer leichteren psychovegetativen oder psychischen Störung (Teil B Nr 3.7), Wirbelsäulenschäden (Teil B Nr 18.9), Sehminderung (Teil B Nr 4.3), Bluthochdruck (Teil B Nr 9.3) und Bronchialleiden (Teil B Nr 8) sowie zu den (hier abgelehnten bzw zurückgenommenen) Merkzeichen "RF" und "G".

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 14.11.2013; Aktenzeichen B 9 SB 10/13 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 14. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.

Eine Kostenerstattung im Berufungsverfahren findet nicht statt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des bei dem Kläger vorliegenden Grades der Behinderung (GdB) sowie die Zuerkennung der Merkzeichen "RF'" und "G". Ferner wendet sich der Kläger gegen die Rücknahme der Zuerkennung eines GdB sowie des Merkzeichens "RF".

Mit Bescheid vom 19. Mai und Teilabhilfebescheid vom 8. September 1999 hatte der Beklagte bei dem Kläger ab dem 29. Dezember 1998 einen GdB von 30 festgestellt. Zugrunde gelegt waren dabei die Gesundheitsstörungen:

- Psychovegetative Störungen, Depression (Einzel-GdB 20).

- Umbildende Veränderungen der Wirbelsäule sowie Fehlhaltung und

  Morbus Scheuermann der Brustwirbelsäule mit rezidivierenden Brust-

  und Lendenwirbelsäulenbeschwerden (Einzel-GdB 20).

Als den Gesamt-GdB nicht beeinflussend berücksichtigte der Beklagte weiterhin die Funktionseinschränkungen Bluthochdruck (Einzel-GdB 10), bronchiale Hypereagibilität mit chronischer Bronchitis und Reizhusten, Allergie (Einzel-GdB 10) und Fußfehlform beiderseits, Kniegelenksbeschwerden beiderseits (Einzel-GdB 10).

Am 26. April 2005 beantragte der Kläger die Feststellung eines höheren GdB.

Auf der Grundlage der vom Kläger vorgelegten ärztlichen Unterlagen berücksichtigte der Beklagte nach Einholung einer Stellungnahme seines ärztlichen Dienstes zusätzlich zu den bisherigen Gesundheitsbeeinträchtigungen eine Sehminderung mit einem Einzel-GdB von 50 und stellte einen Gesamt-GdB von 60 für die Zeit ab dem 26. April 2005 fest (Bescheid vom 26. Juli 2005).

Mit Widerspruch vom 18. August 2005 machte der Kläger einen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB sowie der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Merkzeichen "RF" und "G" geltend. Mit Teilabhilfebescheid vom 19. Oktober 2005 stellte der Beklagte nach Auswertung der weiteren vom Kläger vorgelegten medizinischen Unterlagen für die Zeit ab dem 31. August 2005 einen GdB von 70 sowie die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" fest. Dabei berücksichtigte er die Sehminderung des Klägers mit einem Einzel-GdB von 60. Den Antrag auf Feststellung des Merkzeichens "G" lehnte er ab. Mit Bescheid vom 15. November 2005 wies er den darüber hinausgehenden Widerspruch als unbegründet zurück.

Der Kläger hat dagegen unter dem 16. Dezember 2005 Klage beim Sozialgericht (SG) Braunschweig erhoben.

Am 22. April 2006 hat der Kläger bei dem Beklagten einen weiteren Antrag auf Zuerkennung des Merkzeichens "G" gestellt und zur Begründung im Wesentlichen auf die Verschlechterung seiner Sehkraft hingewiesen. Der Beklagte hat daraufhin Prof. Dr. H., Direktor der Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde des Universitätsklinikums I., mit der Erstellung eines augenfachärztlichen Gutachtens beauftragt. Das auf der Grundlage einer ambulanten Untersuchung am 7. September 2006 erstellte Gutachten vom 11. Dezember 2006 gelangt zu der Feststellung, dass bei dem Kläger weder Blindheit noch eine hochgradige Sehbehinderung bestehe. Aufgrund der Diskrepanz zwischen seinen subjektiven Angaben einerseits und den objektiven Befunden und durchgeführten technischen Untersuchungen andererseits sowie wegen des nicht der geltend gemachten Sehbehinderung entsprechenden Orientierungsverhaltens des Klägers sei von einem Aggravationsverhalten auszugehen...

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