Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Beitragsrecht. Beitragsausgleichsverfahren. Satzungsregelung. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Satzungsregelungen zum Beitragsausgleichsverfahren stehen mit höherrangigem Recht in Übereinstimmung, soweit sie die Berücksichtigung der Aufwendungen für einen Versicherungsfall in zwei aufeinander folgenden Jahren vorsehen.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 20. Oktober 2008 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klägerin die Kosten beider Rechtszüge zu tragen hat.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 8.488,60 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Auferlegung eines Beitragszuschlages und begehrt stattdessen die Bewilligung eines Beitragsnachlasses für das Umlagejahr 2003.

Sie ist Inhaberin eines Unternehmens, das Formschläuche markiert und schneidet und Mitglied der Beklagten ist. In der Satzung der Beklagten ist ein Beitragsausgleichsverfahren vorgesehen, nach dem den Beitragspflichtigen nach Zahl und Schwere der im vorhergehenden Jahr (Umlagejahr) eingetretenen anzuzeigenden Versicherungsfälle Beitragszuschläge oder -nachlässe auferlegt bzw bewilligt werden. Die Schwere der Versicherungsfälle wird nach Messzahlen bewertet, die gestaffelt sind nach 0,01 Belastungseinheiten (BE) für jeden zu berücksichtigenden Versicherungsfall (Falltyp 1), weiteren 0,99 BE je Fall, für den die Beklagte Zahlungen (ohne Versichertenrente oder Gesamtvergütung) von mehr als 100 Euro geleistet hat (Falltyp 2), zuzüglich 20 BE je Fall, für den die Beklagte Versichertenrente oder Gesamtvergütung gezahlt hat (Falltyp 3) und schließlich zuzüglich 30 BE je Fall, in dessen Folge der Tod des Verletzten eingetreten ist (Falltyp 4). Ist ein Fall nach Falltyp Nr 1 oder 2 oder 3 berücksichtigt worden, wird der Betrag von 100 Euro jedoch erst später überschritten oder die Versichertenrente oder Gesamtvergütung erst später gezahlt oder tritt der Tod erst später ein, wird der Versicherungsfall danach nochmals berücksichtigt, wobei jedoch nur die jeweils einschlägigen zuzüglichen Belastungseinheiten in die Berechnung einbezogen werden. Je nachdem, ob die auf dieser Grundlage berechnete Belastung des Unternehmens (Eigenbelastung) die Durchschnittsbelastung aller Mitgliedsunternehmen der Beklagten über- oder unterschreitet, wird der Normalbeitrag für das Umlagejahr ermäßigt oder erhöht, und zwar um höchstens 30 vH.

Unter Zugrundelegung dieser Regelungen legte die Beklagte der Klägerin im Rahmen der Beitragsfestsetzung für das Umlagejahr 2002 einen Zuschlag von 30 vH auf. Dabei berücksichtigte sie insgesamt acht Versicherungsfälle, darunter auch die Arbeitsunfälle der Versicherten E., F., G. und H., die sich im Jahr 2002 ereignet, aber lediglich den Schweregrad des Falltyps 1 erreicht hatten.

Mit dem - hier strittigen - Beitragsbescheid für 2003 vom 15. April 2004 erhöhte die Beklagte den diesbezüglichen Normalbeitrag von 14.091,56 Euro erneut um einen Zuschlag von 30 vH (4.227,47 Euro). Auch hier waren die Unfälle der vorgenannten Versicherten aus dem Jahr 2002 berücksichtigt, nunmehr mit einer BE von 0,99. Außerdem wurde erstmals die am 18. Dezember 2002 verunfallte Versicherte I. mit einer BE von 1,00 und der im September 2003 verunfallte Versicherte J. - mit einer BE von 0,01 - berücksichtigt.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 26. April 2004 Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie darauf hinwies, dass sich fünf der für das Jahr 2003 in Rechnung gestellten Unfälle bereits im Jahr 2002 zugetragen hätten und deswegen auch im Nachlass-Zuschlag-Verfahren für dieses Jahr hätten berücksichtigt werden müssen. Bei dieser Handhabung hätte der Klägerin für 2003 aber ein Nachlass in Höhe von 30 vH gewährt werden müssen, der auch nicht durch einen höheren Zuschlag für 2002 ausgeglichen würde, weil dies durch die Kappung auf einen Höchstbetrag von 30 vH verhindert würde.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. November 2004 zurück. Die Satzungsregelung, wonach ein bereits im Vorjahr berücksichtigter Arbeitsunfall erneut in Rechnung gestellt werden könne, wenn es zu einer “Verschlimmerung„ der Schwere des Falls (Wechsel des Falltyps) komme, sei sachgerecht. Insbesondere bei Versicherungsfällen, die erst im zweiten Halbjahr eines Jahres einträten, reiche ein erheblicher Teil der Leistungserbringer seine Rechnungen erst im neuen Jahr ein, so dass eine angemessene Beurteilung der Schwere des Falles nur möglich sei, wenn die zusätzlichen Kosten im folgenden Jahr berücksichtigt werden könnten. Diese Regelung bewege sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage (§ 162 Abs 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch ≪SGB VII≫), wobei die Berufsgenossenschaften einen weiten Spielraums hinsichtlich der Gestaltung ihres Beitragsausgleichsverfahrens hätten. Daneben könne sich der Versicherungsfall der Frau I. nicht mehr auswirken, der der Beklagten ...

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