Entscheidungsstichwort (Thema)

Verwaltungsaktqualität einer Mitteilung über den endgültigen Einbehalt einer Nachzahlung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung

 

Orientierungssatz

Bei einer Mitteilung über den endgültigen Einbehalt einer Rentennachzahlung handelt es sich um einen Verwaltungsakt iS des § 31 S 1 SGB 10.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 07.04.2022; Aktenzeichen B 5 R 24/21 R)

BSG (Beschluss vom 31.03.2022; Aktenzeichen B 5 R 24/21 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 8.10.2019 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Klageverfahren zu einem Viertel. Im Übrigen sind Kosten in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Auszahlung einer Rentennachzahlung i.H.v. 16.884,29 €.

Die im Jahr 1963 geborene Klägerin befand sich gemeinsam mit ihrer im Jahr 1999 geborenen Tochter jedenfalls in dem Zeitraum 1.4.2015 bis 30.4.2017 bei dem Beigeladenen im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.

Am 23.9.2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 16.3.2017 bewilligte die Beklagte ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für den Zeitraum 1.4.2015 bis 31.3.2018. Dabei errechnete sie für den Zeitraum 1.4.2015 bis 30.4.2017 eine Rentennachzahlung i.H.v. 18.760,84 €. Die Nachzahlung werde vorläufig nicht ausgezahlt, da zunächst Ansprüche anderer Stellen zu klären seien. Sobald die Höhe der Ansprüche bekannt sei, werde die Nachzahlung abgerechnet.

Mit Schreiben vom 28.3.2017 machte der Beigeladene gegenüber der Klägerin einen Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X i.V.m. §§ 40 Abs. 2, 40a SGB II über seinerseits für den Zeitraum 1.4.2015 bis 30.4.2017 gezahlte Leistungen und Sozialversicherungsbeiträge i.H.v. insgesamt 20.648,71 € geltend.

Mit Schreiben vom 5.4.2017 wandte sich die Beklagte an die Klägerin und rechnete ihr gegenüber die Rentennachzahlung ab. Von den für den Zeitraum 1.4.2015 bis 30.4.2017 einbehaltenen 18.760,84 € würden 16.884,29 € zur Erfüllung des Erstattungsanspruches des Beigeladenen an diesen überwiesen. Der verbleibende Rentennachzahlungsbetrag i.H.v. 1.876,55 € werde auf das Konto der Klägerin überwiesen.

Gegen das Schreiben legte die Klägerin am 21.4.2017 Widerspruch ein. Das Abrechnungsschreiben sei als Verwaltungsakt zu qualifizieren. Insofern werde auf das Teilurteil des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen vom 10.12.2014 - L 2 R 494/13 - verwiesen. Die Beklagte sei verpflichtet, ihr die Rentennachzahlung vollständig auszuzahlen. Sie sei nicht berechtigt gewesen, den Erstattungsanspruch des Beigeladenen gemäß dem Schreiben vom 28.3.2017 zu befriedigen. Sie habe bereits im September 2014 eine Rente wegen Erwerbsminderung beantragt und dies dem Beigeladenen auch mitgeteilt. Dieser habe die Antragstellung zum Anlass nehmen müssen, ihren Leistungsfall einzustellen und sie auf Leistungen nach dem SGB XII zu verweisen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 3.7.2017 wies die Beklagte den Widerspruch als unzulässig zurück. Bei der angegriffenen Mitteilung über die Rentennachzahlung handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt. Der zitierten Rechtsprechung des LSG Niedersachsen-Bremen werde nicht gefolgt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) (Urteil vom 25.1.2011 - B 5 R 14/10 R) treffe die Mitteilung über die Abrechnung der Rentennachzahlung keine Regelung i.S.v. § 31 SGB X. Vielmehr werde der Nachzahlungsbetrag aus dem Rentenbewilligungsbescheid vom 16.3.2017 lediglich wiederholt. Erstattungsansprüche nach den §§ 102ff. SGB X seien eigenständiger Natur und entstünden kraft Gesetzes. Es habe daher auch keiner weiteren Entscheidung über etwaige Nachzahlungsbeträge bedurft. Hinsichtlich der fehlenden Verwaltungsaktqualität der angegriffenen Mitteilung werde des Weiteren auf die Rechtsprechung zahlreicher LSG verwiesen. Diese hätten im Falle einer Auszahlung von Leistungen durch einen Leistungsträger unter Missachtung eines Erstattungsanspruches eines anderen Leistungsträgers § 50 Abs. 2 SGB X für den Erstattungsanspruch gegenüber dem Leistungsberechtigten für anwendbar gehalten. Diese Vorschrift sei aber nur anzuwenden, wenn dem Erstattungsanspruch kein Verwaltungsakt zugrunde liege. Daraus sei zu schließen, dass es sich auch nach dieser Rechtsprechung bei der Abrechnungs-Mitteilung nicht um einen Verwaltungsakt handele. Im Übrigen sei nach § 107 SGB X für die Zeit des Erstattungsanspruches Erfüllung des Rentenanspruches durch die Auszahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II eingetreten, so dass die Klägerin in jedem Fall keinen Anspruch auf Auszahlung der Rentennachzahlung habe.

Bereits am 20.6.2017 hat die Klägerin Klage auf Zahlung von 16.884,29 € beim Sozialgericht (SG) Oldenburg erhoben (S 51 R 111/17). Am 18.7.2017 hat sie darüber hinaus ebenfalls beim SG Oldenbur...

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