Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. persönliche Arbeitslosmeldung. kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch

 

Orientierungssatz

Die tatsächliche Handlung der persönlichen Arbeitslosmeldung kann nicht durch Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches fingiert werden.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 15.10.2012; Aktenzeichen B 11 AL 75/12 B)

 

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 29. Mai 2008 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte ihrer außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um den Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld (Alg) nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches Drittes Buch - Arbeitsförderung (SGB III).

Die 1948 geborene Klägerin, die ausgebildete Textilbetriebswirtin ist, war in einem der von ihrem Ehemann betriebenen Geschäfte angestellt. Ihr Ehemann kündigte ihr unter Hinweis darauf, dass das Geschäft aufgegeben werden sollte, mit Kündigung vom 19. Januar 2005 zum 28. Februar 2005 und stellte sie ab diesem Zeitpunkt von der Arbeit frei. Er erklärte weiter, ihr Gehalt werde bis zum 30. August 2005 gezahlt. Sollte sie zwischenzeitlich neue Arbeit finden, werde ihr eine Entlassungsabfindung angeboten.

Aus einem Vermerk im Verwaltungsvorgang der Beklagten ergibt sich, dass sich die Klägerin am 24. Januar 2005 arbeitsuchend meldete. Sie gab an, ihr sei zum 30. August 2005 gekündigt worden. In dem Vermerk heißt es weiter, sie sei auf die rechtzeitige, persönliche Arbeitslosmeldung hingewiesen worden.

Hinsichtlich dieser Kündigung führte die Klägerin ein arbeitsgerichtliches Verfahren gegen ihren Ehemann, welches sie erstinstanzlich gewann. Daraufhin kündigte ihr Ehemann ihr mit Kündigung vom 24. August 2005 erneut, diesmal zum 28. März 2006 und legte Berufung gegen die erstinstanzliche Entscheidung ein.

Unter dem 26. August 2005 findet sich ein erneuter Vermerk über einen telefonischen Kontakt mit der Klägerin. Darin heißt es, die Klägerin habe mitgeteilt, ihre Klage sei erfolgreich gewesen. Ihr Ehemann habe aber Berufung eingelegt. Weiter heißt es in diesem Vermerk, die Klägerin sei auf die Notwendigkeit der persönlichen Arbeitslosmeldung hingewiesen worden.

Im gleichzeitig betriebenen Ehescheidungsverfahren hat die Klägerin vortragen lassen, sie lebe seit dem 20. September 2004 getrennt von ihrem Ehemann im selben Haus, aber in verschiedenen Geschossen. Im Ehescheidungsverfahren ist dies von ihrem Ehemann nicht bestritten, sondern bestätigt worden.

Sowohl auf der Lohnsteuerkarte 2005 als auch auf der Lohnsteuerkarte 2006 ist für die Klägerin die Steuerklasse III vermerkt.

Am 15. Februar 2006 meldete sich die Klägerin persönlich arbeitslos und stellte einen Antrag auf Gewährung von Alg. In der arbeitgeberseits ausgestellten Arbeitsbescheinigung vom 16. Februar 2006 wird mitgeteilt, im Jahr 2005 sei die Steuerklasse III eingetragen gewesen. Die Klägerin sei von Januar 1991 bis Dezember 2005 beschäftigt gewesen.

Mit Bescheid vom 16. März 2006 bewilligte die Beklagte ab dem 15. Februar 2006 vorläufig für 450 Tage Alg mit einem täglichen Leistungssatz von 32,74 Euro. Bei der Berechnung des Alg ging die Beklagte von der Steuerklasse V aus. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein.

Am 19. April 2006 schloss die Klägerin anlässlich einer mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen einen Vergleich mit ihrem Ehemann. Danach endete das Arbeitsverhältnis zum 31. August 2005. Zur Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes verpflichtete sich der Ehemann, der Klägerin eine Abfindung in Höhe von 20.000 Euro zu zahlen. Hierauf sollte sich die Klägerin 12.000 Euro, die sie bereits erhalten habe, anrechnen lassen.

Mit weiterem Bescheid vom 15. Juni 2006 bewilligte die Beklagte der Klägerin nunmehr endgültig Alg für 450 Tage ab dem 15. Februar 2006 unter Zugrundelegung der Steuerklasse V.

Auch hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein.

Mit Widerspruchsbescheiden vom 23. Juni und 4. Oktober 2006 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 16. März und 15. Juni 2006 zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Klägerin habe mit ihrem Ehemann nicht mehr in ehelicher Gemeinschaft zusammen gelebt. Daher sei sie verpflichtet gewesen, die eingetragene Lohnsteuerklasse ändern zu lassen. Da sie dies nicht getan habe, habe sie die Aufklärung des Sachverhalts erschwert. Hierin liege ein Verstoß gegen ihre Mitwirkungspflichten, so dass bei der Berechnung von Steuerklasse V auszugehen sei. Einen Anspruch auf Alg könne die Klägerin erst ab dem 15. Februar 2006 geltend machen, da sie sich erst zu diesem Zeitpunkt persönlich arbeitslos gemeldet habe.

Am 24. Juli und am 6. November 2006 ist jeweils Klage erhoben worden, die das Sozialgericht (SG) Oldenburg in der mündlichen Verhandlung zur gemeinsamen Verhandlung verbunden hat.

Im Klageverfahren hat sich die Klägerin im Wesentlichen gegen die Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse V und d...

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