Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Elterngeld. Rechtsänderung zum 1.1.2011. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

Die volle Anrechnung des (Mindest-)Elterngeldes auf die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bei fehlendem Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt gem § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 iVm § 10 Abs 5 BEEG ist mit dem Verfassungsrecht vereinbar.

 

Normenkette

SGB II § 11 Abs. 1 S. 1, § 9 Abs. 2, § 21 Abs. 2-3, § 24 Abs. 3 Nr. 2; BEEG § 10 Abs. 5 Sätze 1, 2 Fassung: 2010-12-09; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1 S. 1; SGG § 105 Abs. 2 S. 1, §§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 144 Ab S. 2, § 103 S. 2; StGB § 218

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 26.07.2016; Aktenzeichen B 4 AS 25/15 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lüneburg vom 26. Februar 2013 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der die Berufung führende Kläger begehrt die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (LSL) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ohne die Berücksichtigung von Leistungen nach dem Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG)). Streitig ist der Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2011.

Der 1979 geborene Kläger steht - gemeinsam mit seinen Kindern - seit längerem im Bezug von LSL bei dem beklagten Jobcenter, einer gemeinsamen Einrichtung des Landkreises C. und der Bundesagentur für Arbeit (BA) nach § 44b SGB II, bzw bei dessen Rechtsvorgängerin, der ARGE Arbeit und Grundsicherung für den Landkreis C. (vgl § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II, vorliegend ebenfalls Beklagter genannt). Seine 1990 geborene Ehefrau M. S. erhielt, mutmaßlich aufgrund ihres ausländerrechtlichen Status, keine LSL von dem Beklagten. Für den vorliegend maßgeblichen Bewilligungsabschnitt (1. Januar bis 30. Juni 2011) stellte er am 15. November 2010 einen Weiterbewilligungsantrag (Bl 645 der von dem Beklagten beigezogenen Leistungsakte (LA)) und erhielt gemeinsam mit den beiden Kindern I. und A. (geboren 2008 und 26. August 2010 (Geburtsurkunde unter Bl 607 LA)) LSL bewilligt (Bescheid vom 15.118. November 2010 = Bl 655 LA = Bl 5a dA). Der Beklagte berücksichtigte bei dem Kläger für die Zeit ab 1. Januar 2011 das diesem von dem Landkreis C. für die Zeit vom 26. August 2010 bis 25. August 2011 bewilligte Elterngeld iHv monatlich 375 Euro, bereinigt iHv 345 Euro (Elterngeld abzüglich Versicherungspauschale; Bescheid vom 20. September 2010 = Bl 612 LA).

Der hiergegen am 16. Dezember 2010 (vgl Schreiben des Beklagten vom 10. Januar 2011 = Bl 680 LA = Bl 14 dA) erhobene Widerspruch (Bl 669 LA) blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2011, Aktenzeichen des Beklagten W 77111 = Bl 683 LA = Bl 15 dA). Der Beklagte verwies zur Begründung auf die ab 1. Januar 2011 geltende Rechtslage, die eine Berücksichtigung nunmehr vorschreibe. Der dem Bevollmächtigten des Klägers zugegangene Bescheid trägt den Datumsstempel “24. Jan. 2011" (Bl 15 dA).

Der Kläger hat am 24. Februar 2011 Klage vor dem Sozialgericht (SG) C. erhoben. Zur Begründung hat er unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Straffreiheit sogenannter Abtreibungen verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht und das Aussetzen des Rechtsstreits nebst Vorlage an das BVerfG beantragt (Schriftsatz vom 26. Oktober 2011 = Bl 25 dA).

Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 26. Februar 2013 = BI 43 dA). Die Anrechnung des Elterngelds ab Januar 2011 entspreche geltendem Recht. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden nicht. Eine Ausfertigung des Gerichtsbescheids ist dem Kläger am 27. Februar 2013 zugestellt worden (Empfangsbekenntnis unter BI 50 dA).

Der Kläger hat am 25. März 2013 Berufung eingelegt (BI 52 dA). Er verfolgt sein Begehren unter Hinweis auf Verfassungsrecht fort.

Der Kläger stellt den Antrag,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lüneburg vom 26. Februar 2013 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheids vom 18. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Januar 2011 zu verurteilen, ihm für den Zeitraum 1. Januar bis 30. Juni 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ohne Anrechnung von Elterngeld zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt (Schriftsatz vom 5. Februar 2015 = BI 76 dA und Schriftsatz vom 16. Februar 2015 = BI 77 dA).

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Verfahrensakte sowie die von dem Beklagten beigezogenen Teile der Leistungsakte (Band III und Band IV) Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Beratung und Ent...

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