Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss bei gem § 7 Abs 4 SGB 2 bei Strafgefangenen. Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe nach § 43 StGB

 

Orientierungssatz

Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 4 S 2 SGB 2 findet auch auf Strafgefangene Anwendung, die eine Ersatzfreiheitsstrafe nach § 43 StGB verbüßen.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bremen vom 29. Januar 2010 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Wesentlichen darüber, ob der Berufungsbeklagte auch während des Zeitraums der Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe Anspruch auf unterhaltssichernde Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) hat.

Der 1964 geborene, getrennt lebende Berufungsbeklagte stand seit 2005 im laufenden Bezug unterhaltssichernder Leistungen nach dem SGB II bei der Berufungsklägerin. Die in der Zeit vom 05. Juni 2009 bis 30. November 2009 zustehenden Leistungen setzte die Berufungsklägerin dabei zunächst mit Bescheid vom 30. Juni 2009 auf monatlich 628,00 (359,00 Euro Regelleistung zuzüglich 269,00 Euro Kosten der Unterkunft und Heizung) fest und erhöhte diesen Betrag sodann mit Bescheid vom 20. August 2009 auf monatlich 638,88 Euro (359,00 Euro Regelleistung zuzüglich 279,88 Euro Kosten der Unterkunft und Heizung).

Nachdem die Berufungsklägerin durch eine Mitteilung der Justizvollzugsanstalt J. vom 24. August 2009 bekannt geworden war, dass der Berufungsbeklagte dort seit dem 05. August 2009 eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßte, die voraussichtlich bis zum 31. Oktober 2009 andauern sollte, hob sie nach vorheriger Anhörung ihre Bescheide vom 30. Juni 2009 und 20. August 2009 für die Zeit ab 05. August 2009 vollständig auf und forderte von dem Berufungsbeklagten für den Zahlungsmonat August 2009 einen anteiligen Betrag von 553,69 € (329,88 € anteilige Regelleistung sowie 223,81 € anteilige Leistungen für Unterkunft und Heizung) zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass der Berufungsbeklagte während des Aufenthalts in der Justizvollzugsanstalt nach § 7 Abs. 4 S. 1 und 2 SGB II nicht zum Bezug unterhaltssichernder Leistungen nach dem SGB II berechtigt sei. Die ergangenen Bewilligungen seien nach § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und 4 SBG X aufzuheben, da der Berufungsbeklagte seiner Verpflichtung, alle Änderungen in seinen persönlichen Verhältnissen mitzuteilen, nicht rechtzeitig nachgekommen sei und er zudem habe wissen müssen, dass der ihm zuerkannte Anspruch zum Ruhen gekommen sei. Die eingetretene Überzahlung habe er nach § 50 SGB X zu erstatten. Weitere Nachricht über die Zahlungsweise, die Fälligkeit, das Kassenzeichen und die Bankverbindung erhalte er von der K., an die die Zahlung zu leisten sei (Bescheid vom 18. September 2009).

Mit seinem hiergegen am 15. Oktober 2009 erhobenen Widerspruch machte der Berufungsbeklagte geltend, dass der Bescheid nicht erkennen lasse, auf welchen Aufhebungstatbestand sich die getroffene Entscheidung stütze. Im Übrigen seien auch die Voraussetzungen des § 7 Abs. 4 S. 1 und 2 SGB II nicht gegeben. Er befinde sich nicht in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung, da die Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe nach § 43 StGB gerade nicht aufgrund richterlicher Anordnung, sondern auf Anordnung der Vollstreckungsbehörde erfolge. Diese Rechtsauffassung werde vom Verwaltungsgericht L. (Gerichtsbescheid vom 08. Mai 2009, Az: S 3 K 2721/07) sowie vom Sozialgericht L. (Beschluss vom 26. Juni 2009, Az: S 25 AS 1118/09 ER) geteilt.

Mit Widerspruchbescheid vom 23. Oktober 2009 wies die Berufungsklägerin den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie wies darauf hin, dass sich ihre Entscheidung ausweislich der Begründung auf § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB X stütze. Im Übrigen falle auch die Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe unter § 7 Abs. 4 SGB II. Unabhängig von der Grundlage des tatsächlichen Aufenthalts des Berufungsbeklagten in der Justizvollzuganstalt handele es sich bei dieser jedenfalls um eine Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehungen.

Am 06. November 2009 ist Klage erhoben worden, zu deren Begründung sich der Berufungsbeklagte erneut auf die von ihm namhaft gemachten Entscheidungen des Verwaltungsgerichts L. sowie des Sozialgerichts L. bezogen hat.

Mit Gerichtsbescheid vom 29. Januar 2010 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 18. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 23. Oktober 2009 aufgehoben. Zur Begründung hat es dargelegt, dass es die Auffassung des Verwaltungsgerichts L. in dessen Gerichtsbescheid vom 08. April 2009 (S 3 K 2721/07) teile, soweit ausgeführt werde, dass die Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe keinen Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehungen darstelle. Es sei nämlich darauf abzustellen, ob im konkreten Fall die Freiheitsentziehung ...

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