Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistung. Sozialhilfe nach längerer Aufenthaltsdauer. rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer. Unzumutbarkeit der Ausreise. Integration trotz Strafbefehl wegen Sozialbetrugs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Dem Wortlaut des § 2 Abs 1 S 1 AsylbLG, wonach der Ausländer die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben darf, ist zwingend zu entnehmen, dass nur rechtsmissbräuchliches Verhalten relevant sein kann, das sich auf die Dauer des Aufenthaltes kausal ausgewirkt hat. Hierbei ist das Verhalten des Ausländers während der gesamten Dauer des Aufenthalts in der Bundesrepublik - also ab Einreise - zu betrachten, nicht etwa nur der streitgegenständliche Zeitraum oder nur der Zeitpunkt ab rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens. Es kommt mithin darauf an, ob sich das rechtsmissbräuchliche Verhalten des Ausländers im Einzelfall konkret und kausal verlängernd auf die Dauer des Aufenthalts in der Bundesrepublik ausgewirkt hat. Das kausale, vorwerfbare Verhalten muss im streitgegenständlichen Leistungszeitraum noch fortwirken (Abweichung von LSG Celle-Bremen vom 20.12.2005 - Az: L 7 AY 40/05).

2. Die allgemeine Lage im Kosovo begründet nicht die Annahme der Unzumutbarkeit der Rückkehr.

 

Orientierungssatz

1. Die freiwillige Rückkehr in das Kosovo ist dann aufgrund fortgeschrittener Integration in der Bundesrepublik Deutschland unzumutbar, wenn der Ausländer sich fast 12 Jahre in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten hat, seine Kinder fast die gesamte Schullaufbahn in Deutschland absolviert haben und angesichts der Dauer des Aufenthaltes ein entsprechender Integrationsgrad festzustellen ist.

2. Gegen eine Integration spricht auch nicht entscheidend, dass der Ausländer durch Strafbefehl wegen Sozialhilfebetrugs aufgrund verschwiegenen Einkommens zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen verurteilt wurde.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.06.2008; Aktenzeichen B 8 AY 8/07 R)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger begehren die Gewährung von Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).

Der am M. in N. (Nord-Kosovo) geborene Kläger zu 1.) reiste am 29. März 1993 zusammen mit seiner am 23. September 1962 in O. (Kosovo) geborenen Ehefrau, der Klägerin zu 2.), und den gemeinsamen vier Kindern, den am P. und Q. geborenen Klägern zu 3.) und 4.) sowie dem am R. geborenen Kläger im Verfahren L 11 AY 50/06 und dem am S. geborenen Kläger im Verfahren L 11 AY 55/07 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Der Kläger zu 5.) wurde am T. in U. geboren. Der Personalausweis des Klägers zu 1.) wurde am 18. September 1996 hinterlegt. Seit ihrer Einreise werden die Kläger geduldet, soweit sie nicht zwischenzeitlich eine Aufenthaltsgestattung nach dem AsylVfG erhalten hatten. Am 11. Juni 1996 wurden die Kläger durch die Hansestadt U. aufgefordert, sich bei der zuständigen Botschaft um die Ausstellung von Nationalpässen zu bemühen.

Am 19. Juni 1996 beantragten sie ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Dabei gaben sie an, albanische Volkszugehörige zu sein und nur albanisch sprechen zu können. Anträge auf Ausstellung von Passersatzpapieren wurden schon frühzeitig von den Klägern unterschrieben. Bei der Anhörung am 3. Juli 1996 gaben die Kläger zu 1.) und 2.) an, einen Reisepass nie besessen zu haben. Personalausweise, Geburtsurkunde und Heiratsurkunde hätten sie in U. abgegeben. Das Asylbegehren stützen die Kläger zu 1.) und 2.) auf Übergriffe und Benachteiligungen durch die Serben sowie den Erhalt eines Einberufungsbescheides. Die Asylanträge wurden durch Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 12. Juli 1996 abgelehnt und die Kläger unter Abschiebungsandrohung zur Ausreise aufgefordert. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass die damalige Lage im Kosovo die Annahme einer Gruppenverfolgung der Kosovo-Albaner nicht rechtfertige. Die hiergegen eingereichte Klage wurde durch Urteil des Verwaltungsgerichts V. vom 21. April 1997 -W. - abgewiesen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wurde durch Beschluss des OVG X. vom 21. Mai 1997 -Y. - abgelehnt.

Nach einem Schreiben des Z. AA. vom 13. Mai 1993 sollen die Kläger “albanische Roma„ sein. Im Antrag auf Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen vom 4. Juni 1997 betone der Prozessbevollmächtigte der Kläger, dass diese Kosovo-Albaner seien. Am 10. September 1997 erklärten die Kläger, nicht bereit zu sein, freiwillig in ihr Heimatland auszureisen. Eine von den Klägern eingereichte Bescheinigung des jugoslawischen Generalkonsulats vom 25. August 1997, wonach Reisedokumente aus politischen Gründen nicht ausgegeben werden, erwies sich als Fälschung (vgl. Auskunft vom 28. Oktober 1997). Unter dem 11. September 1997 beantragte der nunmehr zuständig gewordene Landkreis AB. beim jugoslawischen Bundesministerium der Innere Angelegenheiten die Rückübernahme für alle...

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