Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Antragserfordernis. Vermögensberücksichtigung. Depot zur Kapitallebensversicherung. kein Verwertungsausschluss. Rückforderungsanspruch bei Vermögensübertragung in Höhe des Kinderfreibetrags auf Kind

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 37 Abs 2 S 1 SGB 2 verlangt keinen neuen Antrag, wenn im laufenden Antragsverfahren durch Verbrauch von Vermögen Hilfebedürftigkeit eintritt.

2. Ein neben dem Lebensversicherungsvertrag angelegtes Depot zur Sicherstellung zukünftiger Versicherungsprämien wird nicht vom Verwertungsausschluss des § 165 Abs 3 VVG erfasst.

3. Zum Rückforderungsanspruch gemäß § 528 BGB, wenn unmittelbar vor Antragstellung Vermögen in Höhe des Kinderfreibetrages an einen ein halbes Jahr alten Sohn übertragen wird.

 

Orientierungssatz

Der Antrag gem § 37 Abs 1 SGB 2 ist keine materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung, sondern stellt lediglich eine verfahrensrechtliche Obliegenheit dar. Aus der Vorschrift ist nicht abzuleiten, dass ein einmal gestellter Antrag je nach Bearbeitungsdauer durch den Grundsicherungsträger bzw je nach dem Zeitpunkt der Abgabe der vollständigen Antragsunterlagen seine Wirkung verliert.

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 12.Februar 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01. Mai bis zum 12. Juli 2005 streitig.

Die 1963 geborene Klägerin zu 1) ist Lehrerin und stand bis auf kurze Zwischenbeschäftigungen seit 01. Januar 1996 laufend im Bezug von Arbeitslosenhilfe. Anlässlich der Geburt des Klägers zu 2) am 28. August 2004 erwarb die Klägerin zu 1) einen Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) für 180 Kalendertage, den sie vom 24. Oktober 2004 bis zum 21. April 2005 in Höhe von 241,08 € wöchentlich ausschöpfte.

Am 22. April 2005 beantragten die Kläger Leistungen nach dem SGB II. An diesem Tage verfügte die Klägerin zu 1) nach ihren Angaben über folgendes Vermögen: Girokonto 130,15 €; Sparbücher 388,02 €; Sparbrief 8.070,00 €. Sie hatte ferner am Tag vor der Antragstellung aus ihrem Vermögen 4.640,00 € auf einen Sparbrief unter dem Namen des Klägers zu 2) überwiesen und ihm diesen Betrag geschenkt. Am 19. Mai 2005 erhielt die Klägerin zu 1) eine Steuererstattung in Höhe von 502,84 €. Die Antragsunterlagen vom 22. April 2005 wurden am 13. Juli 2005 abgegeben.

Aus den beigezogenen Akten geht hervor, dass die Klägerin zu 1) am 29. Dezember 2004 bei der I. Lebensversicherung AG ein Depot in Höhe von 8.400,00 € angelegt hatte. Mit diesem Depot sollte mit fünf Jahresraten in Höhe von je 1.814,20 €, fällig im Dezember des jeweiligen Jahres, eine ab 01. Dezember 2004 abgeschlossene Kapitallebensversicherung mit einer Versicherungssumme von 12.905,00 € bedient werden. Die Lebensversicherung war zunächst für einen Zeitraum von 18 Jahren abgeschlossen; sie wurde gemäß Vereinbarung vom 07. März 2006 gemäß § 165 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) einem Verwertungsausschluss bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres unterworfen.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 14. Juli 2005 die Gewährung von Arbeitslosengeld II (Alg II) ab 22. April 2005 wegen fehlender Bedürftigkeit ab. Das zu berücksichtigende Vermögen von insgesamt 14.707,00 € übersteige die Grundfreibeträge für beide Kläger in Höhe von 14.000,00 €. Dabei berücksichtigte die Beklagte den Rückkaufwert der Lebensversicherung in Höhe von 1.609,00 € als verwertbares Vermögen. Hiergegen legten die Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, die Verwertung der Kapitallebensversicherung sei unwirtschaftlich, weil ein zumutbarer Abzug von höchstens 10 % von der eingezahlten Versicherungsprämie von 1.814,00 € einen Betrag von 1.632,00 € ergebe, während der Rückkaufwert zum ersten Kündigungstermin am 01. Dezember 2005 nur 1.609,00 € betrage. Ohne Berücksichtigung dieser Vermögensposition würden die Freibeträge nicht erreicht. Die Kläger verlangten die Zahlung von Alg II ab 01. Mai 2005.

Die Beklagte half mit Bescheid vom 02. September 2005 dem Widerspruch teilweise ab durch Gewährung von Alg II ab 13. Juli 2005 in Höhe von 1.044,58 € monatlich. Sie betrachtete dabei den Tag der Abgabe der Antragsunterlagen am 13. Juli 2005 als neue Antragstellung, wobei die Klägerin zu 1) an diesem Tage durch zwischenzeitliche Anschaffung von Konsumgütern ihr Vermögen auf einen Wert unterhalb der Freibetragsgrenze reduziert hatte. Bezüglich des Zeitraumes ab 22. April 2005 bestätigte die Beklagte mit weiterem Bescheid vom 02. September 2005 die Leistungsablehnung ab 01. Mai 2005 und wies im Übrigen den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 06. September 2005 als unbegründet zurück.

Mit der am 30. Januar 2006 erhobenen Klage hat die Klägerin zu 1) geltend gemacht, sie sei aufgrund eines Telefonates mit der Sachbearbeitung der Bek...

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