Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Entschädigungsklage wegen überlanger Verfahrensdauer. Grundsicherungsempfänger. Aktivlegitimation. kein Anspruchsübergang auf den Grundsicherungsträger. keine Zweckidentität von Entschädigungsleistungen und Leistungen zum Lebensunterhalt

 

Leitsatz (amtlich)

Entschädigungsleistungen nach § 198 Abs 2 GVG für Nichtvermögensnachteile dienen nicht demselben Zweck wie Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II oder SGB XII.

 

Orientierungssatz

Die Gegenansicht würde zu einer im Ergebnis pauschalen Versagung der Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer für die Bezieher einer Leistung nach dem SGB 2 oder dem SGB 12 führen und könnte bewirken, dass solche Verfahren in der täglichen Praxis der Gerichte womöglich nur nachrangig abgearbeitet werden.

 

Tenor

Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 2.400,00 € als Entschädigungsleistung zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird endgültig auf 5.000,00 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Entschädigung wegen unangemessener Dauer der Entscheidung über sein Klagebegehren in dem Verfahren des Sozialgerichts Hildesheim (SG) zu dem Aktenzeichen S 21 U 28/11.

Der 1944 geborene Kläger hatte in diesem Verfahren Leistungen der Berufsgenossenschaft wegen einer bei ihm vorliegenden Berufskrankheit (BK) geltend gemacht. Die Berufsgenossenschaft Holz und Metall hatte mit im Verfahren streitigem Bescheid vom 21. Dezember 2010 dem Kläger ab 28. März 2001 zunächst Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. und dann ab dem 10. März 2000 nach einer MdE von 30 v.H. wegen der bei ihm vorliegenden BK 4301 (Asbestose) gewährt.

Im Widerspruchsverfahren hatte sich der Kläger im Wesentlichen dagegen gewandt, dass das ihm zustehende Geld aus Nachzahlungen einbehalten worden war, um Ansprüche anderer Sozialleistungsträger zu befriedigen.

Am 7. März 2011 hat der Kläger Klage bei dem SG wegen „Justizverbrechen“ erhoben. Zunächst war nicht ersichtlich, um was es sich bei dem Klagebegehren handelte. Noch im März 2011 meldet sich dann der Prozessbevollmächtigte des Klägers zur Akte. Die beklagte Berufsgenossenschaft wies zunächst darauf hin, sie sei bei der Durchführung des Widerspruchsverfahrens davon ausgegangen, dass nur die Einbehaltung der Nachzahlung Gegenstand des Verfahrens gewesen sei. Sie hat angeboten, zur Höhe der MdE weitere Ermittlungen anzustellen. Das SG hat dem Kläger mit Beschluss vom 20. April 2011 Prozesskostenhilfe gewährt. In einer ersten Stellungnahme vom 6. Mai 2011 war der Kläger nicht damit einverstanden, dass die Beklagte weitere Ermittlungen durchführte. Die Beklagte hat deutlich gemacht, sie wisse nicht, wie dann weiter verfahren werden solle. Das SG bat den Prozessbevollmächtigten des Klägers mehrfach um Klarstellung. Der Prozessbevollmächtigte trug im August 2011 vor, und legte insbesondere zu einem jahrelangen Aufenthalt des Klägers in den Niederlanden ergänzende Unterlagen vor. Die Beklagte teilte ebenfalls Ende August 2011 mit, ihr seien nun doch weitere Unterlagen aus den Niederlanden zugegangen, diese müssten nun noch übersetzt werden und man werde sich dann melden. Im Oktober 2011 berichtete die Beklagte über den Stand der Ermittlungen - insbesondere dass noch nicht alle Übersetzungen vorlägen. Auch der Prozessbevollmächtigte des Klägers reichte im Oktober 2011 weitere Unterlagen ein. Der Kläger nahm dann zu den Unterlagen aus den Niederlanden Stellung. Er ließ im März 2012 durch seinen Prozessbevollmächtigten anregen, weitere Ermittlungen durch die Beklagte vorzunehmen. Die Beklagte teilte mit, sie sehe keine weitere Möglichkeit von Ermittlungen in den Niederlanden mehr. Im Juni 2012 wandte sich das SG erneut an den Kläger und bat ihn, ein Einverständnis zu weiteren Ermittlungen in den Niederlanden - möglichst in niederländischer Sprache - vorzulegen. Dem kam der Kläger im Juni 2012 nach. Im Juli 2013 reichte der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten einen Bescheid ein, aus dem sich ergibt, dass bei ihm ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 festgestellt worden war. Zusätzlich waren ihm die Merkzeichen G, B und H zuerkannt worden.

Im Oktober 2013 gelangte ein Gutachten des Pneumologen Prof. Dr. H. zur Gerichtsakte. Dieses war durch die Beklagte zur Überprüfung des Gesundheitszustandes des Klägers veranlasst worden und beruht auf einer Untersuchung des Klägers am 13. August 2013. Prof. Dr. H. sah bei dem Kläger seit 2007 eine MdE von 50 v.H. als gegeben an. Er regte weiter an zu überprüfen, ob durch ein weiteres psychiatrisches Gutachten geklärt werden könne, ob Teile der bei dem Kläger vorliegenden psychiatrischen Störung durch die BK verursacht worden seien.

Mit Bescheid vom 1. Oktober 2013 erkannte die Beklagte dem Kläger ab dem 22. August 2007 Verletztenrente nach einer MdE von 50 v.H. zu. Auch insoweit wurde die Nachzahlu...

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