Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschäftigungsverhältnis. Familienhaftes Arbeitsverhältnis. Statusverfahren für die Vergangenheit. Zuständigkeit. Einzugsstelle. Verwaltungsakt mit Doppelwirkung. Ausschluss Vertrauensschutz. Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Anfrageverfahren. Statusfeststellung für zurückliegende Zeiten. DRV Bund

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ergibt sich zwar nicht aus der Meldung des Arbeitgebers, aber aus anderen Gründen (hier: eigene Angabe des Betroffenen in einem Antrag), dass der Beschäftigte Angehöriger des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH ist, hat die Einzugsstelle nach § 7a Abs. 1 S. 2 SGB IV zwingend eine Statusfeststellung herbeizuführen.

2. Für die Durchführung des Statusverfahrens ist die DRV Bund nach § 7a Abs. 1 S. 3 SGB IV auch dann zuständig, wenn es sich um die Feststellung einer Beschäftigung für zurückliegenden Zeiten handelt.

3. § 49 SGB X schließt einen Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 1-4, §§ 47 und 48 SGB X für Verwaltungsakte mit Doppelwirkung aus. Hierzu gehört auch die Entscheidung über die Versicherungspflicht.

 

Normenkette

SGB IV § 7a Abs. 1 Sätze 1-3, § 28h Abs. 2 S. 1; SGB X § 45 Abs. 4 S. 1, § 49

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 28.09.2011; Aktenzeichen B 12 KR 15/10 R)

 

Tatbestand

Streitig ist die versicherungsrechtliche Beurteilung des Beschäftigungsverhältnisses des Beigeladenen zu 1) für die Zeit vom 1. Januar 2001 bis 28. Februar 2007.

Der am 27. Mai 1970 geborene Beigeladene zu 1) hat den Beruf des Druckers erlernt und 1988 seine Abschlussprüfung bestanden. Seit 12. März 1994 ist er Industriemeister Fachrichtung Druck. Seit dem 1. Oktober 1988 war der Beigeladene zu 1) in dem Druckhaus M. - Verlag der Lutherischen Buchhandlung, Inhaber sein Vater N. M., tätig. Er besaß eine mündliche Handlungsvollmacht. Von Oktober 1988 bis 31. Dezember 2000 war der Beigeladene zu 1) bei der AOK Niedersachsen als versicherungspflichtiger Arbeitnehmer gemeldet.

Seit dem 1. Januar 2001 ist die Beklagte die für den Beigeladenen zu 1) zuständige Einzugsstelle für Sozialversicherungsbeiträge. Am 29. September 2005 stellte der Beigeladene zu 1) bei der Beklagten einen “Antrag auf sozialversicherungsrechtliche Beurteilung„ und übersandte den “Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen (Ehegatten, Lebenspartner) im Rahmen eines Anfrageverfahrens gemäß § 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV„ sowie eine Bescheinigung des Verlages der Lutherischen Buchhandlung vom 29. September 2005. Er führte zur Begründung aus, dass er seit 1. Oktober 1988 als mitarbeitender Sohn in dem Familienunternehmen tätig sei, seit diesem Tage weder an Zeit, Ort und Art seiner weisungsfreien Tätigkeit gebunden und aufgrund seiner alleinigen Branchenkenntnisse in dem Familienunternehmen und der Ausbildung zum Industriemeister Druck in alle Entscheidungsprozesse eingebunden gewesen sei.

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 13. Dezember 2005 fest, dass das Beschäftigungsverhältnis bei dem Verwandten keine Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in der Sozialversicherung begründe. Sie stellte die freiwillige Mitgliedschaft des Beigeladenen zu 1) fest und forderte freiwillige Beiträge in Höhe von 27.609 €.

Den Bescheid der Beklagten vom 13. Dezember 2005 legte der Beigeladene zu 1) mit Schreiben vom 22. Dezember 2005 der AOK vor und bat um Überprüfung seines sozialversicherungsrechtlichen Status für die Zeit vom 1. Oktober 1988 bis 31. Dezember 2000. Mit Schreiben vom Januar 2006 fragte die AOK Niedersachsen bei der Beklagten an, ob im Falle des Beigeladenen zu 1) eine Abstimmung mit dem zuständigen Rentenversicherungsträger stattgefunden habe.

Die AOK lehnte eine rückwirkende Aufhebung der Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) mit Bescheid vom 1. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 16. Februar 2007 ab. Die hiergegen vom Beigeladenen zu 1) erhobene Klage wies das Sozialgericht (SG) Braunschweig mit Urteil vom 11. Juli 2007 ab. Die Berufung des Beigeladenen zu 1) blieb erfolglos (Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen vom 19. August 2009 - L 4 KR 296/07).

Am 7. August 2006 stellte der Beigeladene zu 1) bei der Beklagten einen Antrag auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung, den diese an die Klägerin weiterleitete (Schreiben der Beklagten vom 26. Februar 2007). Diese hatte bereits am 3. April 2006 gegenüber der AOK Niedersachsen für die Zeit von Oktober 1988 bis 31. Dezember 2000 die Auffassung vertreten, dass der Beigeladene zu 1) in einem Beschäftigungsverhältnis in dem Betrieb seines Vaters gestanden hatte.

Mit Bescheid vom 26. Februar 2007 teilte die Beklagte dem Beigeladenen zu 1) mit, dass ihr Bescheid vom 13. Dezember 2005 mit Wirkung zum 1. März 2007 zurückgenommen werde. Er sei rechtswidrig. Das beurteilte Beschäftigungsverhältnis sei nicht sozialversicherungsfrei, weil aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses...

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