Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. vorläufiger Rechtsschutz bei Absenkung der Leistung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Gegen einen Bescheid, mit dem eine Absenkung (Beschränkung) nach § 31 Abs 4 Nr 3 b, Abs 5 und Abs 6 Satz 1 und 2 SGB II in Verbindung mit § 144 SGB III hinsichtlich ihres Beginns und ihres Endes festgesetzt wird, ist vorläufiger Rechtsschutz durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG zu gewähren. Des zusätzlichen Erlasses einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86 b Abs 2 SGG bedarf es nur dann, wenn Leistungen für den Zeitraum der Absenkung weder bewilligt noch gezahlt worden sind.

2. Welcher auf den Einzelfall bezogenen Regelungen durch Verwaltungsakt es bei Absenkungen (Beschränkungen) nach § 31 SGB II im Allgemeinen und in Fällen von Absenkungen nach § 31 Abs 4 Nr 3 SGB II im Besonderen bedarf, ist in der Literatur umstritten und im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend zu klären. Der Senat neigt, vom Wortlaut des § 31 Abs 6 Satz 1 und 2 SGB II ausgehend, in Abgrenzung zu den in der Literatur vertretenen Meinungen vorläufig zu einer Auffassung, nach der Beginn und Ende der Absenkung weder einer konstitutiven Regelung, noch einer Feststellung durch Verwaltungsakt bedürfen, weil sie sich abschließend aus dem Gesetz ergeben. Gegenstand des Verwaltungsaktes, der nach § 31 Abs. 6 Satz 1 den Beginn der Absenkung auslöst, ist bei einem solchen Verständnis die Feststellung, dass und in welcher Höhe die Leistungen abzusenken sind.

 

Orientierungssatz

1. Beschränkt sich das Begehren des Antragstellers darauf, im Weg des einstweiligen Rechtsschutzes bis zur rechtskräftigen Klärung den Eintritt derjenigen Rechtsnachteile zu vermeiden, die sich unmittelbar an die Absenkung der ihm zustehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes knüpfen und in einem vorübergehenden Wegfall des materiellen Leistungsanspruchs bestehen, so richtet sich sein Rechtsschutzbegehren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage.

2. Zusätzlich ist nur dann der Erlass einer einstweiligen Anordnung geboten, wenn für den Zeitraum der Absenkung Leistungen weder bewilligt, noch gezahlt worden sind.

3. Beginn und Ende der Absenkung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ergeben sich abschließend aus dem Gesetz. Deshalb bedarf es insoweit nicht einer einzelfallbezogenen Regelung durch Verwaltungsakt.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Hildesheim vom 7. Dezember 2005 wird aufgehoben. Die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage gegen den Absenkungsbescheid der Beschwerdegegnerin vom 20. Oktober 2005 wird angeordnet.

Die Beschwerdegegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers beider Instanzen.

 

Gründe

I. Der im Januar 1984 geborene, zusammen mit seiner Großmutter in Hildesheim wohnhafte Beschwerdeführer hat einen Berufsausbildungsvertrag mit dem Frisör C. in Hannover, der ihn in einer Filiale in Langenhagen beschäftigt hat, durch einen auf eigenen Wunsch hin abgeschlossenen Aufhebungsvertrag beendet. Zwischen den Beteiligten ist insoweit unterdessen unstreitig, dass das Ausbildungsverhältnis tatsächlich zum 30. Juni 2005 beendet worden ist, wenngleich die zu den Verwaltungsakten gelangte Ablichtung der Aufhebungsvereinbarung vom 17. Mai 2005 und die unter dem 28. September 2005 ausgefüllte Arbeitsbescheinigung des Ausbildungsbetriebes den 30. Juni 2004 als Datum der Beendigung der Berufsausbildung ausweisen. Maßgeblich für seinen Wunsch, den Ausbildungsbetrieb zu verlassen, sind nach den Angaben des Beschwerdeführers die tägliche Fahrzeit zur Arbeitsstätte von insgesamt etwa 2 Stunden und eine erhebliche Verschlechterung des Betriebsklimas gewesen, die er auf mehrere unaufgeklärte Diebstähle und das in der Folge gegen ihn aufgekommene Misstrauen zurückführt. Die Beschwerdegegnerin hat wegen der Aufgabe des Ausbildungsplatzes, für die sie keinen wichtigen Grund gesehen hat, mit Bescheid vom 20. Oktober 2005 unter Berufung auf § 31 Abs. 4 Nr. 3b und Abs. 5 SGB II in Verbindung mit § 144 SGB III eine Absenkung der dem Beschwerdeführer zustehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts um 100 vH für die Monate November 2005 bis Januar 2006 verfügt. Hiergegen begehrt der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde gegen den ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts Hildesheim vom 7. Dezember 2005 vorläufigen Rechtsschutz.

Der Beschwerdeführer macht unter Hinweis auf die zu § 144 SGB III ergangene Rechtsprechung geltend, dass hinsichtlich des Vorliegens eines wichtigen Grundes für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Falle von Ausbildungsverhältnissen eine großzügige Betrachtung geboten sei, so dass die am Arbeitsplatz gegen ihn erhobenen Verdächtigungen und die mit ihnen einhergehende Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses zum Ausbilder jedenfalls in seinem Fall die Lösung vom Ausbildungsbetrieb gerechtfertigt habe, und beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Hildes...

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