Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Statthaftigkeit der Beschwerde gegen die Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe. einzusetzendes Vermögen. Mitgliedschaft in einem Verband. Anspruch auf kostengünstigen Rechtsschutz. Eigenbeteiligung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 124 Nr 2 ZPO fällt nicht unter den Beschwerdeausschluss nach § 172 Abs 3 Nr 2 SGG.

2. Prozesskostenhilfe ist zu versagen, wenn der Kläger als Mitglied eines Verbandes Anspruch auf kostenfreien Rechtsschutz hat. Dies gilt auch, wenn die Prozessvertretung durch den Verband die Zahlung einer Eigenbeteiligung voraussetzt (hier: 50,- Euro).

3. Ob hinsichtlich der an den Verband zu zahlenden Eigenbeteiligung Anspruch auf Prozesskostenhilfe besteht, ist nur dann entscheidungserheblich, wenn auch tatsächlich ein Verbandsvertreter beauftragt wird, nicht dagegen bei Beauftragung eines Rechtsanwaltes.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig vom 1. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Braunschweig vom 1. Februar 2012, mit dem die mit Beschluss vom 8. Juni 2011 erfolgte Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) nachträglich wieder aufgehoben worden ist.

Die Klägerin hat vor dem SG Braunschweig das Klageverfahren S 17 AS 578/11, geführt, in dem um höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) gestritten worden ist. Dieses Klageverfahren ist durch Urteil des SG Braunschweig vom 15. November 2011 abgeschlossen worden. Hiergegen führt die Klägerin das Berufungsverfahren L 11 AS 106/12 vor dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen.

Nachdem der Klägerin für das erstinstanzliche Klageverfahren PKH unter Beiordnung von Rechtsanwältin H. bewilligt worden war (Beschluss vom 8. Juni 2011), hat das SG mit dem vorliegend angefochtenen Beschluss vom 1. Februar 2012 die PKH-Bewilligung wieder aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin bereits seit dem 1. Juli 2010 Mitglied des Sozialverbandes Deutschland (SoVD) sei, so dass sie bei Zahlung einer Eigenbeteiligung von 50 € Anspruch auf im Übrigen kostenfreien Rechtsschutz durch den SoVD habe. Sie habe auch nicht glaubhaft gemacht, dass ihr die Inanspruchnahme des SoVD unzumutbar gewesen sei oder dieser eine Rechtsschutzgewährung abgelehnt habe. Da die Klägerin die Frage “Trägt eine Rechtsschutzversicherung oder eine andere Stelle/Person (z.B. Gewerkschaft, Arbeitgeber, Mieterverein) die Kosten ihrer Prozessführung?” wahrheitswidrig mit “Nein” beantwortet habe (Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 24. März 2011), habe sie zumindest grob nachlässig gehandelt.

Gegen diesen ihr am 7. Februar 2012 zugestellten Beschluss richtet sich ihre am 7. März 2012 eingelegte Beschwerde. Sie macht geltend, dass ihr eine Vertretung durch den SoVD nicht zumutbar gewesen sei. Seit 2006 würden die Angelegenheiten mit dem beklagten Jobcenter durchgängig von Rechtsanwältin H. bearbeitet. Pro Jahr seien mindestens zwei Widerspruchs- sowie sich anschließende Klageverfahren zu finanzieren gewesen. Die Kosten, die die Klägerin beim SoVD hierfür hätte entrichten müssen, hätte die Klägerin nicht aufbringen können. Sie sei wegen der “langjährigen Zusammenarbeit mit Rechtsanwältin H. ” auch “überhaupt nicht auf den Gedanken gekommen, vorliegend den Sozialverband einzuschalten”.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig. Sie ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen, da diese Norm lediglich bei Ablehnung von PKH ausschließlich wegen Verneinung der persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen Anwendung findet. Vorliegend hat das SG zwar auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse für die Gewährung von PKH verneint, indem es den Anspruch auf kostengünstigen Rechtsschutz durch den SoVD als eine die Gewährung von PKH ausschließende vermögenswerte Rechtsposition angesehen hat (vgl. S. 2 des angefochtenen Beschlusses). Allerdings ist bei der vorliegend angefochtenen nachträglichen Aufhebung einer PKH-Bewilligung nach § 73a SGG i.V.m. § 124 Nr. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) zusätzlich zu prüfen, ob der PKH-Antragsteller absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat. Wegen dieses weitergehenden Prüfungsumfangs fällt die vorliegende Beschwerde nicht unter den Beschwerdeausschluss nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG (so ebenfalls: LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 9. Juni 2011 - L 13 AS 120/11 B, NZS 2011, 880; Beschluss vom 4. Juli 2011 - L 7 AS 5381/09 B; LSG Bayern, Beschluss vom 22. November 2010 - L 7 AS 486/10 B; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. August 2008 - L 19 B 23/08 AL; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16. Juni 2008 - L...

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