Entscheidungsstichwort (Thema)

Klage auf Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit. Festsetzung des Streitwerts. Zeitraum für die zugrunde zu legenden Honorareinnahmen. Kostenrisiko. Justizgewährungsanspruch

 

Orientierungssatz

1. In Zulassungsstreitigkeiten ist grundsätzlich auf die im Fall der erstrebten Zulassung - unter Heranziehung des Fachgruppendurchschnitts - zu erwartenden Honorareinnahmen von drei Jahren abzustellen. An diesem Ausgangspunkt hält der Senat auch unter Berücksichtigung dessen fest, dass vielfach in Zulassungsstreitigkeiten auf die in einem Zeitraum von fünf Jahren zu erwartenden Gewinne abgestellt wird.

2. Bei neuen - nach dem 1.1.2002 anhängig gewordenen - Rechtsstreitigkeiten vermehrt sich das Kostenrisiko um die Gerichtsgebühren. Das damit bei neuen Verfahren insgesamt für die ersten beiden Instanzen in Betracht zu ziehende Kostenrisiko (hier: 40.000 Euro) ist geeignet, auch verständige die Erfolgsaussichten sorgfältig abwägende Kläger von der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes abzuhalten. Würde mit der vorherrschenden sozialgerichtlichen Rechtsprechung auf einen Fünfjahreszeitraum abgestellt, wäre das Kostenrisiko noch erheblich höher. Eine damit einhergehende Erschwerung der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes wäre mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben an die Effektivität des Rechtsschutzes nicht in Einklang zu bringen.

3. Mit der Bedeutung des Justizgewährungsanspruchs aus Art 19 Abs 4 GG ist es nicht vereinbar, wenn einer Partei im Gerichtsverfahren Kosten entstehen, die außer Verhältnis zu dem wirtschaftlichen Wert des Verfahrensgegenstandes stehen (vgl BVerfG vom 16.11.1999 - 1 BvR 1821/94 = NJW-RR 2000, 946).

4. Zur Festsetzung des Streitwerts auf der Grundlage von Honorareinnahmen aus einen Zeitraum von nur zwei Jahren.

 

Tatbestand

Der Kläger ist als Facharzt für Augenheilkunde seit dem 11. November 1998 aufgrund einer belegärztlichen Tätigkeit nach § 103 Abs. 7 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zur vertragsärztlichen Versorgung im Landkreis D. zugelassen.

Im vorliegenden Verfahren wendet er sich dagegen, dass sein zuvor gestellter Antrag auf Erteilung einer allgemeinen Zulassung für diesen Zulassungsbezirk ohne Erfolg geblieben ist. Sein Begehren auf Erteilung einer solchen allgemeinen Zulassung ist auch im Berufungsverfahren ohne Erfolg geblieben (vgl. das - mit der zugelassenen Revision angefochtene - Senatsurteil vom 05. November 2003).

 

Entscheidungsgründe

Auf den Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers ist der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für das Berufungsverfahren auf 158.208 € festzusetzen.

Die vorliegende Klage ist vor dem 02. Januar 2002 erhoben worden, so dass weiterhin das bis zum 01. Januar 2002 geltende Kostenrecht heranzuziehen ist. Da dieses noch nicht die Erhebung von Gerichtskosten nach Maßgabe des Gerichtskostengesetzes (GKG) vorsah, hat das Gericht nach § 10 Abs. 1 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung - BRAGO - auf den vorliegenden Antrag den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit festzusetzen.

Mangels einschlägiger Wertvorschriften ist der Gegenstandswert nach billigem Ermessen zu bestimmen; dabei ist § 13 Abs. 1 GKG ergänzend heranzuziehen, um Abweichungen gegenüber vergleichbaren Verfahren zu vermeiden. Nach § 13 Abs. 1 GKG ist der Streitwert grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag für den Kläger ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen, wobei das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der begehrten Entscheidung zugrunde zu legen ist (vgl. BSG, B. v. 13. Mai 1980 - 7 RAr 2/78 - SozR 1930 § 8 BRAGO Nr. 3). Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der die Instanz einleitenden Antragstellung entscheidend (§ 15 GKG).

a) Nach der Rechtsprechung des Senates ist in Zulassungsstreitigkeiten grundsätzlich auf die im Fall der erstrebten Zulassung - unter Heranziehung des Fachgruppendurchschnitts - zu erwartenden Honorareinnahmen für einen Zeitraum von drei Jahren abzustellen. Von diesen Einnahmen ist der durchschnittliche Kostenanteil der Facharztgruppe (bei Augenärzten gemäß den Angaben in der Anlage 3 zu den Allgemeinen Bestimmungen des EBM i.d.F. vom 01. Juli 1997: 58,8 %) abzusetzen (vgl. etwa Senatsbeschlüsse v. 24. Januar 2002 - L 3 B 6/02 KA - und v. 29. November 2002 - L 3 B 170/02 KA -).

Unter Zugrundelegung der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 11. Februar 2004 vorgelegten Abrechnungsergebnisse der Beigeladenen zu 1. konnte ein Augenarzt bei Einlegung der Berufung im Dezember 2001 durchschnittliche Einnahmen aus vertragsärztlicher Tätigkeit in Höhe von ca. 48.000 € im Quartal, entsprechend 192.000 € im Jahr, erzielen. Rechnet man diesen Wert auf drei Jahre hoch und bringt die erläuterte Kostenquote von 58,8 % in Abzug, ergibt sich im Ausgangspunkt als Streitwert für ein allgemeines Zulassungsbegehren eines Augenarztes (bezogen auf den Zeitpunkt der Berufungseinlegung) 237.312 €.

b) An diesem Ausgangspunkt hält der Senat auch unter Berücksichtigung dessen...

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