Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgeld bzw Arbeitslosengeld II. Schulmaterial für das Schuljahr 2005/2006. keine Rückwirkung des Urteils des BVerfG vom 9.2.2010

 

Orientierungssatz

Im Schuljahr 2005/2006 gab es keine Anspruchsgrundlage für einen Empfänger von Leistungen nach dem SGB 2 auf Erstattung der Kosten für Schulmaterial (vgl BSG vom 19.8.2010 - B 14 AS 47/09 R = SozR 4-3500 § 73 Nr 2). Eine rückwirkende Anwendung der Erwägungen des BVerfG im Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua = BVerfGE 125, 175 = SGb 2010, 227 für Zeiträume vor dem 9.2.2010 ist ausgeschlossen (vgl BVerfG vom 24.10.2010 - 1 BvR 395/09 und BSG vom 10.5.2011 - B 4 AS 11/10 R = SozR 4-4200 § 44 Nr 2).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 29.11.2012; Aktenzeichen B 14 AS 176/12 B)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 7. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat den Klägern zu 3. und 4. ein Drittel ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Kläger begehren vom Beklagten die Zahlung einer Beihilfe für Schulmaterial in Höhe von 396,90 € für das Schuljahr 2005/2006.

Die Kläger, die mit Ausnahme des erwerbsunfähigen Klägers zu 2. seit 2005 durchgehend im Leistungsbezug von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) standen, beantragten, vertreten durch die Klägerin zu 1., mit auf den 11. September 2005 datiertem Schreiben - das als Anlage einem Schreiben vom 1. Februar 2006, eingegangen bei der Rechtsvorgängerin des Beklagten am 2. Februar 2006, beigefügt war und dessen bereits früherer Zugang im Jahr 2005 von der der Rechtsvorgängerin des Beklagten in Abrede gestellt wurde - eine Beihilfe für Schulmaterialien für die 1993 geborene Klägerin zu 3. und die 1995 geborene Klägerin zu 4., entweder als Zuschuss oder hilfsweise als Abzug vom Einkommen der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft oder des Klägers zu 2., ggf. auch als darlehensweise Bewilligung, dann aber bei gleichzeitigen Erlass des Rückforderungsanspruchs auf Grundlage von § 44 SGB II. Die Rechtsvorgängerin des Beklagten lehnte den Antrag durch Bescheid vom 7. Juni 2006 mit der Begründung ab, ein rechtzeitiger Antrag sei nicht gestellt worden, der Bedarf sei offenbar zunächst bereits anderweitig gedeckt worden. Den Widerspruch der Kläger wies die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit am 10. Mai 2007 ergangenen Widerspruchsbescheid zurück und führte zur Begründung ergänzend aus, auch bei einer rechtzeitigen Antragstellung am 11. September 2005 wäre der Antrag abzulehnen gewesen, denn der Bedarf sei durch die Regelleistungen bereits abgedeckt.

Nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens haben die Kläger am 15. Mai 2007 Klage erhoben und haben zur Begründung insbesondere darauf verwiesen, dass bei der Bemessung der Regelsätze Ausgaben für Bildung nicht als regelsatzrelevante Einzelpositionen angesehen würden. Dies sei eine nicht hinzunehmende und auch verfassungswidrige Benachteiligung schulpflichtiger Kinder.

Die Rechtsvorgängerin des Beklagten ist der Klage entgegengetreten und hat ergänzend darauf verwiesen, die Kosten seien zu keiner Zeit durch entsprechende Belege nachgewiesen worden.

Mit Urteil vom 7. Dezember 2007 hat das Sozialgericht (SG) Oldenburg die Klage mit der tragenden Begründung abgewiesen, die Aufwendungen für die Schulmaterialien der Kläger zu 3. und 4. seien durch die nach § 20 SGB II gewährten Regelleistungen abgegolten, die Gewährung eines Darlehens nach § 23 Abs. 1 SGB II hätten die Kläger von vornherein ausgeschlossen, und durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Höhe der Regelleistungen für Kinder seien in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung bislang nicht formuliert worden. Die von den Klägern angeregte Darlehensgewährung unter Verzicht auf eine Rückforderung nach § 44 SGB II sei ebenfalls nicht möglich, denn dies liefe auf eine vom Gesetzgeber gerade nicht gewollte Ausweitung der Regelleistungen hinaus. Für eine Absetzung der geltend gemachten Kosten vom Einkommen fehle es an einer gesetzlichen Grundlage.

Gegen das ihrer Prozessbevollmächtigten am 11. Dezember 2007 zugestellte Urteil haben die Kläger am 21. Dezember 2007 zunächst Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, woraufhin der Senat mit Beschluss vom 8. April 2008 die Berufung aus dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung zugelassen hat. Die Kläger haben ihre Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Bemessung der Regelsätze für Kinder und Jugendliche, insbesondere in Bezug auf bildungsbedingte Aufwendungen, daraufhin vertieft. Durch Beschluss vom 17. November 2008 hat der Senat das Ruhen des mittlerweile als Berufungsverfahren fortgeführten Rechtsstreits im Hinblick auf ein beim Bundessozialgericht (BSG) anhängiges Revisionsverfahren - B 4 AS 64/08 R - angeordnet.

Am 4. März 2010 haben die Kläger die Fortführung des Rechtsstreits beantragt und auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9. Februar 20...

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