Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistung. Grundleistung. Unterkunft. Auswahlermessen des Leistungsträgers. Zulässigkeit der Unterbringung in einem Wohncontainer. Grenzen. Verfügbarkeit alternativen Wohnraums

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Unterbringung in einem Wohncontainer kann den notwendigen Bedarf an Unterkunft für eine fünfköpfige Flüchtlingsfamilie vorübergehend decken.

2. Bei der Ermessensentscheidung über die Art der Unterbringung durch Gewährung einer Leistung ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Unterbringung einer Familie mit schulpflichtigen Kindern in beengten Verhältnissen in einem Wohncontainer insbesondere wegen der eingeschränkten Intimsphäre und der begrenzten Rückzugsmöglichkeiten (auch für Schularbeiten) nicht für längere Zeit erfolgen darf.

3. Angesichts des Anstiegs der unterzubringenden Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG liegt auf der Hand, dass die Kommunen derzeit häufig über keinen alternativen Wohnraum verfügen.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stade vom 18. September 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragsteller begehren den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem die Antragsgegnerin bzw. der Beigeladene verpflichtet werden soll, ihnen eine andere Unterkunft zur Verfügung zu stellen als die ihnen zugewiesene in einer Wohncontainersiedlung.

Die Antragsteller, somalische Staatsangehörige, sind zusammen mit drei minderjährigen Kindern am 12. August 2015 in die Bundesrepublik eingereist und haben Asyl beantragt. Sie verfügen über eine bis März 2016 befristete Aufenthaltsgestattung. Mit Bescheid der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen vom 25. August 2015 erfolgte eine Zuweisung zu der im Landkreis Stade (Beigeladene) liegenden Samtgemeinde E. (Antragsgegnerin), die die Unterbringung von Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG für den Beigeladenen nach einer auf § 2 Abs. 3 Satz 1 des niedersächsischen Gesetzes zur Aufnahme von ausländischen Flüchtlingen und zur Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes (Aufnahmegesetz - AufnG - vom 11. März 2004, Nds. GVBl. 2004, S.100, zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. März 2012, Nds. GVBl. 2012 S.31) beruhenden Vereinbarung (Aufnahmegesetz-Vereinbarung vom 26. Mai 2006, vgl. Bl. 63 f. d. GA) übernimmt. Die Antragsgegnerin wies der Familie der Antragsteller mit Bescheid vom 1. September 2015 eine Unterkunft zu, bei der es sich um ein Zimmer von 41,26 m² Größe in einem Wohncontainer handelt. Die Containeranlage ist mit weiteren drei Zimmern für insgesamt vier Familien ausgelegt, die in ihrem Wohnraum (jeweils) über eine separate Küchenzeile mit Kühlschrank, Waschmaschine, Spüle und Elektroherd mit vier Herdplatten und einem Backofen verfügen. Von den Familien gemeinsam genutzt wird der Sanitärbereich (zwei Toiletten, ein Pissoir, zwei Duschen). Die Familie der Antragsteller bezieht laufende Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in monatlicher Höhe von ca. 1.800,00 € (Bewilligungsbescheid des Beigeladenen vom 1. September 2015), von denen 560,00 € für die Unterkunft und Nebenkosten an die Antragsgegnerin überwiesen werden.

Am 10. September 2015 erhoben die Antragsteller beim Verwaltungsgericht (VG) Stade - entsprechend der Rechtsmittelbelehrung im Bescheid - Klage gegen den “Einweisungsbescheid„ vom 1. September 2015 der Antragsgegnerin und beantragten den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Die Unterkunft sei für fünf Personen viel zu klein und nicht zumutbar. Neben den beiden kleineren Kindern sei auch ihre größere Tochter aufgrund eines Unfalls auf Windeln angewiesen (Inkontinenz). Das VG hat die Klage und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschlüssen vom 16. September 2015 an das Sozialgericht (SG) Stade verwiesen, weil es sich um Angelegenheiten nach dem AsylbLG handele. Zuvor hatte die Antragsgegnerin den “Einweisungsbescheid„ vom 1. September 2015 durch Bescheid vom 14. September 2015 zurückgenommen und den Antragstellern - berichtigend - die bereits zugewiesene Containerunterkunft als Sachleistung nach § 3 AsylbLG gewährt.

Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 18. September 2015 abgelehnt. Ungeachtet des Umstands, dass nicht die Antragsgegnerin, sondern der beigeladene Landkreis für die Leistungsbewilligung nach dem AsylbLG zuständig sei, hätten die Antragsteller weder einen Anordnungsgrund noch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, nach denen eine sofortige Änderung der Wohnsituation - etwa aufgrund des Umstands, dass sämtliche Kinder der Antragsteller auf Windeln angewiesen seien - erforderlich sei. In der Sache werde der notwendige Bedarf an Unterkunft i.S. des § 3 AsylbLG durch die Unterbringung der Antragsteller in einem Wohncontainer gedeckt. Dieser bemesse sich stets an den konkreten Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Zusammensetzung der Mitbewohner einer Unterkunft (Nationalität,...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge