Entscheidungsstichwort (Thema)

Absenkung des Arbeitslosengeld II. Anforderungen an die Rechtsfolgenbelehrungen nach § 31 SGB 2

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Rechtsfolgenbelehrung in den Fällen des § 31 SGB 2 muss der Pflichtverletzung und der Absenkung zeitnah vorangehen. Sie kann nicht durch eine nachträgliche Erläuterung der Gründe für eine Absenkung ersetzt oder geheilt werden. Ebenfalls nicht hinreichend sind in der Vergangenheit erteilte Belehrungen, wenn der erforderliche enge zeitliche Zusammenhang nicht mehr besteht.

2. Bei konkreten Beschäftigungsangeboten hat für jedes einzelne Arbeitsplatzangebot eine gesonderte, wirksame Belehrung zu erfolgen, und zwar bevor der Hilfebedürftige Kontakt mit dem Arbeitgeber aufnimmt und Gelegenheit hat, das Beschäftigungsangebot abzulehnen.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 3. Mai 2006 aufgehoben.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. April 2006 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin wird darüber hinaus im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig - unter dem Vorbehalt der Rückforderung - die absenkungsbedingt einbehaltenen Leistungen für die Monate Juni und Juli 2006 auszuzahlen.

Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu erstatten.

 

Gründe

Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Hannover vom 3. Mai 2006 ist begründet. In diesem Beschluss hat das SG zu Unrecht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, weil die Antragstellerin sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen geweigert hatte, die in der Eingliederungsvereinbarung vom 16. September 2005 festgelegten Pflichten zu erfüllen. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Sanktionen des § 31 Abs 5 Zweites Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) zu Recht mit dem angefochtenen Bescheid vom 20. April 2006 festgesetzt wurden.

Nach der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes durchzuführenden summarischen Prüfung ergibt sich, dass der Bescheid vom 20. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2006, gegen den fristgemäß Klage erhoben wurde (S 21 AS 822/06), rechtswidrig sein dürfte. Damit liegen die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gemäß § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG vor - dies betrifft die noch vom Bewilligungsbescheid vom 7. Dezember 2005 erfassten Leistungen für den Monat Mai 2006; für die Monate Juni und Juli 2006 ist die einstweilige Anordnung gemäß § 86b Abs 2 SGG einschlägig. Die näheren Gründe für die Aufteilung in Anträge nach § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG (Mai 2006) und nach § 86b Abs 2 SGG (Juni und Juli 2006) sowie die Voraussetzungen dieser Vorschriften hat das SG in seinem Beschluss zutreffend dargelegt, auf diese Ausführungen wird gemäß § 142 Abs 2 Satz 3 SGG verwiesen.

Zwar geht der Senat mit dem SG und der Antragsgegnerin davon aus, dass die Antragstellerin ohne wichtigen Grund der Aufforderung der Antragsgegnerin nicht nachgekommen ist, bis zum 15. März 2006, 13:00 Uhr, eine aussagekräftige Bewerbung vorzulegen und ein Vorstellungsgespräch für einen Praktikumsplatz in D. mit der Option einer Festanstellung in Vollzeit wahrzunehmen. Auf die entsprechenden Ausführungen des SG wird gemäß § 142 Abs 2 Satz 3 SGG Bezug genommen. Ob es sich dabei, wie von der Antragsgegnerin und vom SG angenommen, um den Tatbestand des § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 b (Weigerung, in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflichten zu erfüllen) oder Nr 1 c SGB II (Weigerung, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit aufzunehmen) handelt, kann offen bleiben. Denn die Rechtsfolgenbelehrung aus der Eingliederungsvereinbarung, die laut Angaben der Antragsgegnerin am 16. September 2005 von Antragsgegnerin und Antragstellerin unterschrieben worden sein soll, ohne dass sich dies aus den vorgelegten Unterlagen ergibt, erfüllt nicht die gesetzlichen Anforderungen nach § 31 Abs 5 Satz 3 iVm Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II.

§ 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II setzt für die Absenkung des Arbeitslosengeldes II (Alg II) voraus, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, die nachfolgend unter den Buchstaben a bis d aufgelisteten Pflichten zu erfüllen. § 31 Abs 5 Satz 3 SGB II verlangt, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige, der das 15., jedoch noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, vorher über die Rechtsfolgen nach den Sätzen 1 und 2 des § 31 Abs 5 SGB II zu belehren ist. Darin ist festgelegt, dass das Alg II unter den in den Absätzen 1 und 4 genannten Voraussetzungen auf die Leistungen nach § 22 beschränkt wird; die nach § 22 Abs 1 angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung sollen an den Vermieter gezahlt werden. Daneben soll der Hilfebedürftige Sachleistungen erhalten.

Die Rechtsfolgenbelehrungspflicht in § 31...

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