Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld. Berufsausbildung. Auslandssprachkurs. Au-pair-Mädchen. Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit

 

Orientierungssatz

1. Eine Beschäftigung als sogenanntes Au-pair-Mädchen im Ausland ist allein keine Berufsausbildung iS des § 2 Abs 2 S 1 Nr 1 BKGG (vgl BSG vom 22.11.1994 - 10 RKg 17/92 = SozR 3-5870 § 2 Nr 29). Nur wenn die Au-pair-Tätigkeit mit einer regelmäßigen Ausbildung an einer Sprachschule in wesentlichen Umfang einhergeht, kann der Auslandsaufenthalt als Berufsausbildung anerkannt werden (vgl BSG vom 26.6.1996 - 10 RKg 16/94 = SozR 3-5870 § 2 Nr 32).

2. Eine zusätzliche Schulung und Übung während der Unterbrechung einer bereits begonnenen Ausbildung oder ein freiwilliges Vorpraktikum zur sinnvollen Überbrückung zwischen zwei Ausbildungsabschnitten sind auch dann keine Ausbildung iS des § 2 Abs 2 S 1 Nr 1 BKGG, wenn sie für das zukünftige Berufsziel wünschenswert oder förderungswürdig sind (vgl BSG vom 10.7.1997 - 14/10 RKg 21/95 = SozR 3-5870 § 2 Nr 39).

3. Gegenleistungen für eine Tätigkeit als Au-pair-Mädchen sind Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit iS des § 2 Abs 4 S 2 Nr 3 BKGG (vgl BSG vom 30.10.1991 - 10 RKg 10/90 = SozR 3-5870 § 2 Nr 17).

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte das dem Kläger für seine Tochter D. gezahlte Kindergeld für den Zeitraum von Oktober 1994 bis Juni 1995 entziehen durfte.

Der Kläger bezog für seine drei Kinder D. (geb. 1974), C. (geb. 1976) und K. (geb. 1978) seit 1990 mit Unterbrechungen Kindergeld. Dieses wurde aufgrund des Antrags des Klägers vom 24. August 1994 seit Juli 1994 in einer Gesamthöhe von 280,- DM im Monat gewährt. Der Gesamtbetrag setzte sich aus einem Sockelbetrag von je 70,- DM für D. und C. sowie 140,- DM für K. zusammen. Nachdem D. im Juli 1993 ihre Schulausbildung an der Oberschule "W. S." in R. beendet hatte, befand sie sich vom 16.08.1993 bis zum 14.06.1994 in einem Ausbildungsverhältnis für Arzthelfer, welches durch Kündigung des Ausbilders endete. In der Zeit vom 16. Juni 1994 bis zum 31. September 1994 befand sich D. als Arbeitslose im Alhi-Bezug der Beklagten. Aufgrund dessen erhielt der Kläger in dieser Zeit Kindergeld nicht nur für seine beiden jüngeren Kinder, sondern auch für D. Zum 01. Oktober 1994 meldete sich D. ausweislich einer Mitteilung der Abt. AV und AB der Beklagten aus dem Leistungsbezug ab. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 01. Dezember 1994 hob die Beklagte daraufhin die Bewilligungsentscheidung für Oktober 1994 in Höhe von 140,- DM auf, da D. nicht mehr als Arbeitslose der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehe und die Anspruchsberechtigung nach § 2 Abs. 4 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) damit in dieser Höhe entfallen sei. Den überzahlten Betrag von 140,- DM behielt die Beklagte in monatlichen Raten von 50 v. H. ein. Der Kläger teilte daraufhin der Beklagten am 14.12.1994 mit, D. sei seit 01.10.1994 als Au-pair-Mädchen im Ausland beschäftigt und übersandte ihr unter dem 26.01.1995 eine Bescheinigung des Deutschen Verbandes Katholischer Mädchensozialarbeit e.V., Haus L., wonach D. in der Zeit vom 23.09.1994 bis voraussichtlich September 1995 als Au-pair-Mädchen beschäftigt sei und sie für ihre Mithilfe bei der Kinderbetreuung und im Haushalt der Gastfamilie neben freier Unterkunft und Verpflegung auch ein Taschengeld in Höhe von 40 Pfund erhalte. Ausweislich der Bescheinigung war der sieben Wochenstunden umfassende Besuch einer Sprachschule zur Vervollständigung der Englischkenntnisse ein wichtiger Grund ihres Aufenthaltes. Die Beklagte teilte daraufhin mit Bescheid vom 07. Februar 1995 dem Kläger mit, daß sie ihm für C. und K. weiterhin Kindergeld gewähre, während ab Oktober 1994 D. nicht mehr berücksichtigt werden könne, weil nach § 2 Abs. 2 BKGG ein theoretisch-systematischer Sprachunterricht oder eine höhere Lehrveranstaltung von mindestens 8 Stunden wöchentlich nachzuweisen sei. Seinen hiergegen am 22. Februar 1995 erhobenen Widerspruch, in dem der Kläger geltend machte, die Au-pair-Stelle sei D. vom Arbeitsamt als Überbrückung der Arbeitslosigkeit vermittelt worden, und die Sprachschule werde von ihr freiwillig besucht und von ihnen als Eltern finanziert, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. April 1995 unter Hinweis auf § 2 Abs. 2 BKGG als unbegründet zurück. Ein Auslandsaufenthalt könne nur dann als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn das Kind bei Ausübung einer Au-pair-Tätigkeit einhergehend mit einer regelmäßigen Sprachausbildung neben dem praktischen Gebrauch der Umgangssprache in der ausländischen Familie einen theoretisch-systematischen Sprachunterricht oder eine höher qualifizierte Lehrveranstaltung von mindestens 8 Stunden bei einer Vorbereitungszeit von mindestens 12,5 Stunden wöchentlich besuche. Selbst bei Anerkennung der Au-pair-Tätigkeit seien die Voraussetzungen für einen Kindergeldanspruch nicht erfüllt, da die Ausbildungsvergütung von D. ab Oktober 1994 die Einkommensgrenze von 750,- DM monatlich erreiche. Sie verfüge wöchentlic...

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