Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Anspruch auf plastische Operation nach starkem Gewichtsverlust im Anschluss an eine operative Magenverkleinerung

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Anspruch auf plastische Operation nach starkem Gewichtsverlust im Anschluss an eine operative Magenverkleinerung als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden der Gerichtsbescheid des SG Schwerin vom 10. Oktober 2012 und der Bescheid der Beklagten vom 05. September 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2012 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine Dermolipektomie an den Armen und an den Oberschenkeln, jeweils beidseits, sowie eine Abdominoplastik zu gewähren.

Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Beklagte der Klägerin eine Dermolipektomie an den Armen und den Oberschenkeln beidseits sowie Abdominoplastik nach starkem Gewichtsverlust im Anschluss an eine operative Magenverkleinerung als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren hatte.

Die 1956 geborene Klägerin ist Verkäuferin in einem Möbelfachgeschäft und bei der Beklagten versichert. Sie litt unter einer morbiden Adipositas mit einem Gewicht von 150 kg bei einer Größe von 168 cm, weswegen im Mai 2010 zu Lasten der Beklagten eine operative Magenverkleinerung erfolgte. Im Anschluss verlor die Klägerin massiv an Gewicht, d. h. im Oktober 2011 betrug das aktuelle Körpergewicht 94 kg.

Am 20. Juni 2011 beantragte die Klägerin unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung des Universitätsklinikums C. die Kostenübernahme für eine Dermolipektomie (Hautstraffung) an den Armen und Oberschenkeln, jeweils beidseits, sowie einer Abdominoplastik (Bauchdeckenstraffung). Die Ärzte des Universitätsklinikums C. führten aus, es bestünden Haut-Weichteilüberschüsse an den Armen und Beinen beidseits, Abdomen und Mammae beidseits. Aufgrund des vorliegenden Befundes bestünde eine medizinische Indikation zur Durchführung der geplanten Eingriffe, die sequentiell im Rahmen mehrerer stationärer Aufenthalte erfolgen sollten.

Der von der Beklagten beauftragte Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK), Dr. B., verneinte in einem Gutachten vom 01. September 2011 (nach Aktenlage, Fotodokumentation lag vor) eine Indikation für die beantragten Eingriffe. Es bestünden nach ausgeprägter Gewichtsabnahme nach Magenverkleinerung Haut/Weichteilüberschüsse im Bereich beider Oberarme, Oberschenkel sowie im Bereich der Bauchdecken. Funktionsbehinderungen seien weder beschrieben, noch aus den Unterlagen ersichtlich. Auch seien keine therapieresistenten Hautveränderungen beschrieben oder ersichtlich. Ein dermatologischer Befundbericht sei trotz expliziter Nachfrage nicht vorgelegt worden. Die vorliegenden Veränderungen nach Gewichtsreduktion stellten keine Entstellung im Sinne der Gesetzgebung dar, da sie durch Wahl geeigneter Kleidung zu kaschieren seien.

Mit Bescheid vom 05. September 2011 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Kostenübernahme mit der Begründung ab, die medizinischen Voraussetzungen hierfür lägen nicht vor. Hierzu bezog sie sich auf das eingeholte Gutachten des MDK.

Mit dem am 21. September 2011 bei der Beklagten eingegangenem Widerspruch kritisierte die Klägerin die Begutachtung nach Aktenlage ohne körperlichen Befund. Nach Empfehlung der Ärzte des Universitätsklinikums C. sei ein plastischer Eingriff unumgänglich. Sicherlich sei es aufgrund der nicht so perfekten privaten Fotoaufnahmen zur Ablehnung gekommen. Die Klägerin legte eine erneute Fotodokumentation bei sowie eine Bescheinigung der Fachärztin für Neurologie/Psychiatrie Dr. L. vom 19. September 2011 und eine hautfachärztliche Bescheinigung des Dr. D. vom gleichen Tag. Dr. L. führte im Wesentlichen aus, ihre Patientin habe mit der viel zu großen Haut nach der massiven Gewichtsreduktion Probleme bekommen. Sie hänge überall herum und behindere sie in der Beweglichkeit. Auch habe sie immer die Angst, schlecht zu riechen, auch durch die “Hautlappen„ eine Pilzinfektion zu bekommen. Sie traue sich auch nicht in die Öffentlichkeit, schon gar nicht an den Strand, ohne lange Bekleidung (lange Arme, lange Hosen). Die sonst sehr lebhafte, agile Frau ziehe sich immer mehr zurück, vermeide zunehmend soziale Kontakte. Wenn die völlig inakzeptablen Veränderungen nicht wären, wäre sie der glücklichste Mensch. Der Einsatz von Antidepressiva wäre eine Lösung, aber nicht die Richtige. Sie empfehle die Übernahme der Kosten der operativen Hautentfernung. Dr. D. führte im Wesentlichen aus, die Hautlappen würden die Beweglichkeit im Arm- und Beinbereich deutlich beeinträchtigen. Aufgrund der daraus resultierenden Störung der Beweglichkeit und der Neigung zum Intertrigo durch die Fettschürzenbildungen sei eine plastische Operation hautärztlicherseits dringend angeraten.

Dr. P. vom MDK schätzte in einem Gutachten nach Aktenlage vom 1...

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