Entscheidungsstichwort (Thema)

Überlanges Kostenverfahren. Kostengrundentscheidung bei gerichtskostenfreiem Verfahren. unangemessene Verfahrensdauer. Entschädigungsklage. kein Nachteil des Klägers bei fehlender Rechnungstellung des Prozessbevollmächtigten. sozialgerichtliches Verfahren. unverzügliche Klageerhebung nach PKH-Entscheidung. 10 Tage noch rechtzeitig

 

Orientierungssatz

1. Im Rahmen einer Entschädigungsklage wegen der unangemessenen Dauer eines Kostenfestsetzungsverfahrens für ein gerichtskostenfreies Verfahren kommt ein entschädigungspflichtiger Nachteil iS des § 198 GVG für den Entschädigungskläger nur dann in Betracht, wenn er persönlich einem Kostenanspruch des Prozessbevollmächtigten ausgesetzt gewesen ist. Dies setzt eine entsprechende Rechnungslegung des Prozessbevollmächtigten gegenüber dem Entschädigungskläger voraus.

2. Eine Entschädigungsklage, die innerhalb von 10 Tagen nach Zustellung der PKH-Entscheidung erhoben wurde, ist noch "unverzüglich" iS der Rechtsprechung zur Einhaltung der Klagefrist nach § 198 Abs 5 S 2 GVG bei erforderlichen PKH-Verfahren (vgl BSG vom 7.9.2017 - B 10 ÜG 1/17 R = SozR 4-1710 Art 23 Nr 5).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 29.10.2018; Aktenzeichen B 10 ÜG 6/18 B)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

4. Der Streitwert wird auf 1.150,00 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin macht eine Entschädigung für ein überlanges Verfahren einer Kostengrundentscheidung nach Erledigung der Hauptsache (gemäß § 193 Abs. 1 S. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG) in Höhe von 1.150,00 € geltend.

In dem der Entschädigungsklage zu Grunde liegenden Rechtsstreit vor dem Sozialgericht (SG) Neubrandenburg (Az: S 6 SO 2/12) erhob die Klägerin am 5. Januar 2012 eine Untätigkeitsklage, welche sie am 3. April 2012 nach Erlass des begehrten Widerspruchsbescheides für erledigt erklärte. Zudem beantragte sie am 3. April 2012, der dortigen Beklagten die außergerichtlichen Kosten der Klägerin aufzuerlegen. Der dortige Beklagte lehnte mit Schriftsätzen aus April und Mai 2012 eine Kostenübernahme ab. Am 7. Januar 2014 rügte die Klägerin gegenüber dem SG Neubrandenburg eine Verzögerung des Verfahrens; schließlich traf das SG Neubrandenburg durch Beschluss vom 11. Dezember 2014 eine Kostenentscheidung gemäß § 193 Abs. 1 SGG, wonach die Klägerin die Kosten des Verfahrens trug. Nachfolgend teilte das SG im Januar 2015 noch auf Anfrage der Klägerin mit, dass ihm bei der Fertigung des Kostenbeschlusses ein offensichtlicher Fehler unterlaufen sei, da es sich um ein gerichtskostenfreies Verfahren gehandelt habe. Der Tenor sei so zu verstehen, dass die Klägerin keine Gerichtskosten, wohl aber ihre Anwaltskosten zu tragen habe.

Am 6. Mai 2015 beantragte die Klägerin beim Landessozialgericht (LSG) Mecklenburg- Vorpommern die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für eine beabsichtigte Entschädigungsklage des vorgenannten Verfahrens bzgl. einer Kostenentscheidung. Es sei ein Betrag von mindestens 2.300,00 € zu zahlen. Dem SG könne allenfalls eine Bearbeitungszeit von einem halben bis zu einem dreiviertel Jahr im Hinblick auf die noch ausstehende Kostenentscheidung zugebilligt werden. Dieses Verfahren erfordere weder eine Beweiserhebung noch einen sonstigen größeren Aufwand. Ihr stehe eine Entschädigung von 100,00 € pro Monat zu.

Mit Beschluss vom 14. Juli 2016 hat der Senat der Klägerin für die beabsichtigte Entschädigungsklage wegen überlanger Verfahrensdauer des Gerichtsverfahrens S 6 SO 2/12 (SG Neubrandenburg) PKH für einen Anspruch in Höhe von 1.150,00 € gewährt und im Übrigen die Gewährung von PKH abgelehnt. In diesem Beschluss hat der Senat u. a. ausgeführt, das Verfahren habe insgesamt vom 3. April 2012 bis zum 11. Dezember 2014 gedauert, wobei das Verfahren bis Mai 2012 betrieben worden sei. Unter Zugrundelegung eines vollen Monats als kleinster Zeiteinheit habe das Verfahren somit 31 Monate gedauert, wobei das Verfahren zwei Monate tatsächlich betrieben worden sei. Abzüglich einer Bedenkzeit von bis zu sechs Monaten errechne sich eine Überlänge von 23 Monaten. Entgegen der Auffassung der Klägerin erscheine die Festsetzung eine Entschädigung von 100,00 € pro Monat der Verfahrensverzögerung im Rahmen von Kostengrundentscheidungen angesichts eines geringeren Betroffenseins im Vergleich zum Hauptsacheverfahren unbillig und eine Entschädigung von lediglich bis zu 50,00 € sachgerecht. Hiernach errechne sich nach der gebotenen summarischen Prüfung für die beabsichtigte Geltendmachung einer Entschädigung für 23 Monate ein Betrag bis maximal 1.150,00 € im Sinne einer hinreichender Erfolgsaussicht. Dieser Beschluss ist der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 20. Juli 2016 zugestellt worden.

Am 30. Juli 2016 hat die Klägerin Entschädigungsklage beim LSG erhoben. Im Hinblick auf eine überlange Dauer des Verfahrens vor dem SG Neubrandenburg bestehe ein Entschädigungsanspruch von 1.150,00 €.

Die Klägerin beantragt,

das beklagte Land zu veru...

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