Entscheidungsstichwort (Thema)

Impfschadensrecht. Beitrittsgebiet. Beginn der Beschädigtenversorgung. Antragsfrist. Verhinderung an der Antragstellung. ohne Verschulden. Rechtsunkenntnis. unrichtige oder unterbliebene Diagnose eines Impfschadens

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Unkenntnis der leistungsgewährenden Regelungen und die unrichtige oder unterbliebene Diagnose eines Impfschadens stellen keine Umstände dar, die eine Verhinderung an der Antragstellung iS des § 60 Abs 1 S 3 BVG begründen können.

2. Das Tatbestandsmerkmal "ohne sein Verschulden" in § 60 Abs 1 S 3 BVG läßt sich nicht mit Rechtsunkenntnis oder mit Unkenntnis der leistungsbegründenden Umstände, hier des Impfschadens infolge der unterbliebenen Diagnose, begründen.

3. Zur Kongruenz der Regelungen für Antragsfristen für Leistungen wegen Impfschäden aufgrund des EinigVtr und von § 51 BSeuchG, § 60 Abs 1 S 2 und 3 BVG.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 10.12.2003; Aktenzeichen B 9 VJ 2/02 R)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist der Beginn einer der der Klägerin nach dem Bundesseuchengesetz (BSeuchG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) gewährten Rente streitig.

Die ... 1960 geborene Klägerin wurde am 08. November 1978 durch eine in der Universitäts-Frauenklinik R durchgeführte Immunglobulin-Anti-D-Prophylaxe mit Hepatitis-C-Viren infiziert. Bei der ehemaligen Bezirkshygieneinspektion R wurde der Name der Klägerin in einer Liste aufgeführt sowie die Nummer der ihr verabreichten kontaminierten Charge (Nr. 080578) vermerkt, diese Liste gelangte nach der Wende in den Besitz des Landeshygieneinstitutes R.

Mit einem am 08. März 1995 beim Beklagten eingegangenen Schreiben der Klägerin bat diese um Prüfung von Ansprüchen im Zusammenhang mit der Verabreichung des verunreinigten Serums im November 1978.

Nach Ermittlungen des Beklagten unter anderem beim Landeshygieneinstitut R sowie beim Gesundheitsamt R und Beiziehung medizinischer Unterlagen und Einholung eines versorgungsmedizinischen Gutachtens durch Dr. La vom 17. April 1997, in dem dieser unter anderem bei der Klägerin eine chronische Hepatitis C mäßiger Aktivität diagnostizierte, gewährte der Beklagte mit Bescheid vom 16. Juli 1997 der Klägerin auf ihren Antrag vom 08. März 1995 in Anwendung des Einigungsvertrages sowie nach den Bestimmungen des BSeuchG i.V.m. dem BVG und dem Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten am Menschen der ehemaligen DDR vom 03. Dezember 1982 sowie der dazu erlassenen 2. Durchführungsbestimmung eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 40 v.H.. Als Schädigungsfolge wurde eine "chronische Hepatitis C" anerkannt. Es bestehe Anspruch auf Zahlung einer Rente ab dem Antragsmonat, d.h. ab dem 01. März 1995. Der Klägerin wurde eine laufende monatliche Rente ab dem 01. August 1997 in Höhe von 249,-- DM monatlich sowie ein Nachzahlungsbetrag von insgesamt 6.749,-- DM für den Zeitraum vom 01. März 1995 bis 31. Juli 1997 bewilligt.

Ihren hiergegen am 25. Juli 1997 erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin damit, sie sei mit dem Beginn der Zahlung der Versorgung ab dem 01. März 1995 nicht einverstanden. Ihrer Auffassung nach müsse ihr eine Entschädigung mit Gültigkeit des Einigungsvertrages rückwirkend ab dem 01. Januar 1991 bewilligt werden. Im BVG werde unter anderem unter § 60 Abs. 1 ausgeführt, daß, wenn der Beschädigte ohne sein Verschulden an der Antragstellung verhindert sei, sich diese Frist um den Zeitraum der Verhinderung verlängere. Sie habe erst im Februar 1995 davon erfahren, daß sie wahrscheinlich eine Hepatitis C infolge durchgeführter Anti-D-Prophylaxe habe. Ihre Symptome habe sie nunmehr erst richtig zuordnen können, die anschließenden Untersuchungen hätten diesen Verdacht bestätigt. Da sie vor dem Februar 1995 nichts von der Hepatitis-C-Erkrankung und den damit verbundenen Rechten nach dem Bundesseuchengesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz gewußt habe, habe sie keinen Antrag stellen können. Da im übrigen die staatlich "sanktionierte Vergiftung" geheim gehalten worden sei, habe ihre Hausärztin nicht auf die Ursachen ihrer Erschöpfungszustände, mit denen sie sich in ärztliche Behandlung begeben habe, hinweisen können. Ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien auch in den Jahren 1991 bis 1995 nicht anders gewesen, als bei der Begutachtung durch Dr. La in der Universitätsklinik.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. August 1998 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, daß Frauen, deren Lebererkrankung im Zusammenhang mit einer im Zeitraum vom 01. Juni 1978 bis zum 20. März 1979 durchgeführten Anti-D-Prophylaxe als Gesundheitsschaden auf der Grundlage der 2. Durchführungsbestimmung zum Gesetz zur Verhütung übertragbarer Krankheiten beim Menschen in der ehemaligen DDR anerkannt worden sei, nach den Bestimmungen des Einigungsvertrages Besitzstandsschutz hätten. Damit stünden ihnen Versorgungsansprüche nach dem Bundes-Seuchengesetz in Verbindung mit dem Bundesve...

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