Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. Mutwilligkeit. Kooperation vor Erhebung einer Untätigkeitsklage

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Sachstandsanfrage ist vor der Erhebung einer Untätigkeitsklage nicht zwingend in allen Fällen geboten. Ob eine "Kooperation" eines Prozesskostenhilfeklägers erforderlich ist, hängt - wie alles Weitere - von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Sozialgerichts Stralsund vom 27. Mai 2009 geändert.

Den Klägern wird Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren S 11 AS 140/09 ab dem 27. Februar 2009 gewährt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Durch Bescheid vom 03. November 2008 bewilligte der Beklagte den Klägern SGB II-Leistungen für den Bewilligungszeitraum vom 01. November 2008 bis zum 30. April 2009.

Mit ihrem am 14. November 2008 eingegangenen Widerspruch trugen die Kläger vor, die Berechnung für den Kläger zu 2 sei fehlerhaft und die geltenden Regelsätze seien verfassungswidrig (Hinweis auf die Vorlageentscheidung des Hessischen Landessozialgerichtes an das Bundesverfassungsgericht).

Am 20. November 2008 fertigte der Beklagte eine Eingangsbestätigung. Am Montag, dem 16. Februar 2009, erhoben die Kläger Untätigkeitsklage und beantragten die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse legten sie zunächst nicht vor.

Am 17. Februar 2008 (am gleichen Tage zur Post gegeben) fragte der Beklagte bei dem Prozessbevollmächtigten der Kläger an, ob ein Einverständnis mit dem Ruhen des Verfahrens erklärt werde, und zwar im Hinblick auf die Vorlage nach Artikel 100 Abs. 1 Grundgesetz beim Bundesverfassungsgericht.

Durch Schriftsatz vom 25. Februar 2009 erklärte der Prozessbevollmächtigte, er sei mit dem Ruhen nicht einverstanden. Zu berücksichtigen sei, dass es nicht allein um die Frage der Regelsätze für Kinder gehe, sondern auch um die Frage, wie das Einkommen bzw. die Auslöse zu berücksichtigen seien. Er habe bereits Untätigkeitsklage erhoben.

Durch Widerspruchsbescheid vom 28. April 2009 berechnete der Beklagte die den Klägern im streitigen Bewilligungszeitraum zustehenden Leistungen neu und setzte höhere SGB II-Leistungen fest. Das Klageverfahren wurde in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Durch Beschluss des Sozialgerichts vom 23. Juni 2009 wurden dem Beklagten die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Kläger auferlegt (§ 193 SGG). Eine volle Kostentragung komme aus den allgemeinen Rechtsgedanken der §§ 242, 254 BGB nur dann in Betracht, wenn eine vorherige Nachfrage beim Grundsicherungsträger nach dem Stand der Bearbeitung verbunden mit der konkreten Androhung einer Untätigkeitsklage unter ausreichender Fristsetzung ohne Erfolg geblieben sei. Der Beklagte habe durch Schreiben vom 20. November 2008 mitgeteilt, dass die Bearbeitung des Widerspruchs eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen werde. Aufgrund dieser Kontaktaufnahme des Beklagten durfte er darauf vertrauen, dass die Kläger nicht ohne Vorwarnung bzw. Mahnung „aus heiterem Himmel“ Untätigkeitsklage erheben würden.

Durch Beschluss vom 27. Mai 2009 hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Eine Bewilligung gemäß § 73a SGG in Verbindung mit §§ 114 ff. ZPO komme nicht in Betracht, da die eingelegte Klage mutwillig sei. Den Prozessbevollmächtigten sei bewusst gewesen, dass eine Möglichkeit bestanden habe, die Beklagte vorprozessual zur unverzüglichen Entscheidung aufzufordern und zu bewegen. Im Rahmen der Klageschrift werde ausgeführt, dass eine Kooperationsverpflichtung nicht bestehe. Ebenso sei von dem Bewusstsein auszugehen, dass eine solche Aufforderung vielfach Erfolg versprechend sei und sich so ein Rechtstreit, gerichtet auf Erhebung einer Untätigkeitsklage, vermeiden lassen werde.

Mit ihrer am 19. Juni 2009 erhobenen Beschwerde verfolgen die Kläger ihr Begehren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Sozialgericht weiter.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber in der Sache nur teilweise begründet.

Die Untätigkeitsklage, die am 16. Februar 2009 erhoben worden ist, ist zunächst unzulässig und auch mutwillig gewesen. Im Zeitpunkt der Klageerhebung ist nämlich die 3-Monats-Frist des § 88 SGG noch nicht abgelaufen gewesen. Der Widerspruch ist am 14. November 2008 eingelegt worden. Daher hat die 3-Monats-Frist erst mit Ablauf des 16. Februar 2009 geendet (§ 64 Abs. 3 SGG). An diesem Tag hat der Prozessbevollmächtigte bereits Untätigkeitsklage erhoben.

Im Allgemeinen gilt zur Mutwilligkeit das Folgende: Von Mutwilligkeit im Sinne des § 114 ZPO ist nach der Rechtsprechung des Senates dann auszugehen, wenn ein verständiger Beteiligter, der für seine Prozesskosten selbst aufkommen muss, die Rechtsverfolgung zur Schonung eigener Mittel unterlassen würde, ferner wenn sich das angestrebte Ziel auch auf andere, einfachere und kostengünstigere Weise erzielen lässt (Beschlüsse des Senates vom 22. Juni 2009 - L 8 B 137...

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