Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachweis des Eintritts des Versicherungsfalls zur Anerkennung eines durch Asbest verursachten Mesothelioms als Berufskrankheit nach Nr. 4105 BKV

 

Orientierungssatz

1. Bei der Anerkennung einer Berufskrankheit und der hierdurch zu gewährenden Versichertenrente setzt der Eintritt des Versicherungsfalls u. a. voraus, dass der individuelle Gesundheitsschaden des Versicherten dem dort beschriebenen Krankheitsbild entspricht.

2. Dabei muss der Zeitpunkt des Eintritts des individuellen Gesundheitsschadens mit dem in der Berufskrankheit beschriebenen Krankheitsbild festgestellt werden. Bei der Berufskrankheit Nr. 4105 BKV - durch Asbest verursachtes Mesotheliom - ist eine Rückrechnung der aufgenommenen Asbestfaserdosis ungeeignet, den Eintritt des Versicherungsfalls zu bestimmen. Die Faserberechnung ist lediglich für die Anerkennung eines Lungentumors nach Nr. 4104 BKV von Bedeutung. Für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 4105 BKV ist der Nachweis des erforderlichen Krankheitsbildes mit der erforderlichen Sicherheit zu leisten.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten, ob die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin des verstorbenen S. die Feststellung eines früheren Rentenbeginns aufgrund der anerkannten Berufskrankheit (BK) nach Ziffer 4105 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung beanspruchen kann.

Die Klägerin ist die Ehefrau des am xxxxx 2016 verstorbenen S. (Versicherter). Der am xxxxx 1938 geborene Versicherte war während seiner Berufstätigkeit (1960 - 1996) als Maschinenschlosser bei den H. AG von 1960 bis 1987 asbestfaserhaltigen Stäuben ausgesetzt gewesen. Am 17. Mai 2011 stellte der Radiologe Dr. G. nach einer Coputertomographie des Thorax beim Versicherten eine geringgradige Asbestose mit nur vereinzelten pleuralen Plaques fest, ohne Nachweis einer asbestassoziierten Lungenfibrose, unauffälligem Bronchialsystem und bei geringen unspezifischen narbigen Veränderungen der Lungenspitze. Am 10. September 2015 wurde der Versicherte in der Lungenpraxis Professor H1 wegen eines echokardiographisch aufgefallenen persistierenden Pleuraerguss rechts untersucht. Prof. Dr. H1 kam danach zu dem Ergebnis, dass ein rechtsseitiger Pleuraerguss mit geschätzt wenigen 100 ml Flüssigkeit und nur teilweiser Kammerung vorliege. Die Pleurapunktat-Untersuchung zeige ein eindeutiges Exsudat mit gemischtzelliger, jedoch nicht eitriger Entzündung. Die Ätiologie bleibe unklar, ein malignes Geschehen sei aufgrund der langzeitigen Persistenz des Ergusses ohne wesentlichen Progress sehr unwahrscheinlich. Während der stationären Behandlung vom 19. - 29. Februar 2016 im A. Krankenhaus H2 wurde bei dem Versicherten ein histologisch gesichertes Pleuramesotheliom links (Mesotheliom A) festgestellt. Die Beklagte erkannte mit Schreiben vom 21./22. April 2016 an die behandelnden Ärzte des Versicherten das Pleuramesotheliom als BK nach der Ziffer 4105 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung ("Durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfells, des Bauchfells oder des Pericards") an. Mit Bescheid vom 23. Juni 2016 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin fest, dass der Versicherungsfall am 15. Februar 2016, dem Tag der Behandlungsbedürftigkeit, eingetreten sei. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit betrage vom 16. Februar bis 27. Mai 2016 100 %. Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid am 26. Juli 2016 Widerspruch ein, da ihrer Ansicht nach die Erkrankung des Versicherten geraume Zeit früher eingetreten sein müsse. In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 27. Oktober 2010 führte der Arzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. S1 aus, dass sich der Versicherte erstmals im Februar 2016 mit Belastungsluftnot und thorakalen Schmerzen im Klinikum H3 vorgestellt habe. Bei der am 22. Februar 2016 durchgeführten Thorakotomie sei das maligne diffuse Pleuramesotheliom entdeckt worden. Es sei gerechtfertigt, den Tag der Erstvorstellung als Stichtag des Leistungsfalles anzunehmen. Röntgenbefunde, die eine Vordatierung erlaubten, lägen ebensowenig vor wie Angaben, ob der Versicherte wegen dieser Beschwerden vorher seinen Hausarzt konsultiert habe. Der Leistungsfall könne deshalb nicht vorverlegt werden. Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2017 zurück, wobei sie sich auf den Bericht des Beratungsarztes stützte. Der Widerspruch wurde den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 6. Juni 2017 zugestellt.

Die Klägerin hat am 6. Juli 2017 Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben. Das Pleuramesotheliom des Versicherten sei längst vorhanden gewesen, als es im Krankenhaus diagnostiziert worden sei. Die der Klägerin gewährte Verletztenrente basiere auf einem Zufallsdatum.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf die Stellungnahme ihres Beratungsarztes verwiesen. Es entspreche der Verwaltungspraxis, in derartigen Fällen den ...

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