Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Schließung einer Krankenkasse. keine Klagebefugnis eines Arbeitnehmers für eine sozialgerichtliche Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Aufsichtsbehörde. keine unmittelbare Beschwer. Zulässigkeit der Nichtbeachtung drittschützender Normen durch die Aufsichtsbehörde. effektiver Rechtsschutz auf dem Arbeitsgerichtsweg

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die sozialgerichtliche Anfechtungsklage eines Arbeitnehmers gegen die Schließung seiner Krankenkasse durch einen Bescheid des Bundesversicherungsamtes fehlt es an der Klagebefugnis.

2. Der Arbeitnehmer ist nicht durch Regelungen des Schließungsbescheides unmittelbar beschwert, sondern kann allenfalls durch die Regelungswirkung des § 164 Abs 4 S 1 SGB 5 beschwert sein.

3. Drittschützende Normen, die eine Klagebefugnis von Arbeitnehmern einer geschlossenen Krankenkasse begründen könnten, sind durch das Bundesversicherungsamt bei der allein aufsichtsrechtlichen Entscheidung über die Schließung einer Kasse wegen fehlender Leistungsfähigkeit nicht zu beachten.

4. Effektiver Rechtsschutz für Arbeitnehmer einer geschlossenen Krankenkasse mit dem Ziel des Erhalts ihres Arbeitsplatzes steht im Arbeitsgerichtsweg zur Verfügung.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 12.03.2013; Aktenzeichen B 1 A 1/12 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 24. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit ist die durch Bescheid der Beklagten vom 4. Mai 2011 verfügte Schließung der City BKK mit Ablauf des 30. Juni 2011, die der Kläger mit dem Ziel des Erhalts seines Arbeitsverhältnisses angefochten hat.

Der 1984 geborene und in H. lebende Kläger war seit 1. August 2002 bei der City BKK in H. als Sozialversicherungsfachangestellter beschäftigt. Nach den einschlägigen tarifvertraglichen Regelungen gehörte er zu den ordentlich kündbaren Arbeitnehmern der Kasse. Aufgrund seiner Funktion als Jugendvertreter war er nach Bundespersonalvertretungsrecht im Zeitpunkt der Schließung jedoch ordentlich unkündbar.

Durch Bescheid vom 4. Mai 2011, adressiert und zugestellt an die City BKK mit ihrem Hauptsitz in S., verfügte die Beklagte:

“1. Die CITY BKK, S., wird gemäß § 153 Satz 1 Nummer 3 des Sozialgesetzbuches V (SGB V) in Verbindung mit § 90 Absatz 1 des Sozialgesetzbuches IV (SGB IV) geschlossen. Die Schließung wird gemäß § 153 Satz 2 SGB V wirksam mit Ablauf des 30. Juni 2011.

Diese Schließung gilt gemäß § 46 Abs. 5 des Sozialgesetzbuches XI (SGB XI) gleichfalls für die bei der CITY BKK errichtete Pflegekasse.

2. Die sofortige Vollziehung der unter Ziffer 1. getroffenen Verfügung wird angeordnet (§ 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG).„

Die Kasse sei objektiv weder aktuell noch prognostisch in der Lage, ihre Ausgaben durch Einnahmen zu decken. Es sei somit von der nicht sichergestellten Leistungsfähigkeit der Kasse im Sinne des § 153 Satz 1 Nr. 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) auszugehen. Lägen die Voraussetzungen des § 153 Satz 1 Nr. 3 SGB V vor, müsse die Kasse geschlossen werden und stehe der Aufsichtsbehörde kein Rechtsfolgeermessen zu. Eine Alternative zur Schließung der Kasse sei nicht ersichtlich. Es bestehe auch kein Anlass, nach § 171b Abs. 3 Satz 1 SGB V einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen anstatt die Kasse zu schließen. Denn lägen zugleich die Voraussetzungen für die Schließung wegen auf Dauer nicht mehr gesicherter Leistungsfähigkeit einer Kasse und für die Stellung eines Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vor, solle die Aufsichtsbehörde die Kasse schließen (§ 171b Abs. 3 Satz 2 SGB V). Für das Vorliegen eines atypischen Ausnahmefalles, um von diesem gebundenen Ermessen abzuweichen, lägen keine substantiierten Hinweise vor. Es sei notwendig, die Kasse zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu schließen, um ein weiteres Anwachsen des Defizits zu verhindern und die Belastung der haftenden Krankenkassen nicht unnötig ansteigen zu lassen. Da die Mitglieder der Kasse vorher ausreichend über die Schließung zu informieren seien sowie die Verpflichtungen gegenüber den Mitarbeitern nach §§ 164, 155 SGB V erfüllt werden müssten, werde der Schließungszeitpunkt auf den Ablauf des 30. Juni 2011 festgesetzt. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei notwendig und erfolge zum Schutz des besonderen öffentlichen Interesses der Versicherten der City BKK an einem rechtssicheren Zustand.

In der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides vom 4. Mai 2011 wird - der Bescheidadressat - auf die Klage beim Landessozialgericht Baden-Württemberg hingewiesen.

Aufgrund dieses sofort vollziehbaren Bescheides, der von der City BKK nicht angefochten worden war, die vielmehr bereits vorab gegenüber der Beklagten einen Rechtsmittelverzicht erklärt hatte, ist die Kasse einschließlich Pflegekasse mit Ablauf des 30. Juni 2011 geschlossen worden.

Die City BKK teilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 6. Mai 2011 unter Hinweis auf den Schl...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge