Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung einer Erbschaft als Einkommen des Grundsicherungsberechtigten. Schmerzensgeldanspruch

 

Orientierungssatz

1. Der durch einen Erbfall bewirkte wertmäßige Zuwachs des Leistungsberechtigten ist Einkommen i. S. von § 11 Abs. 1 SGB 2, wenn der Erbfall während des Bezugs von Leistungen nach dem SGB 2 eintritt.

2. Auch die auf einem Schmerzensgeldanspruch beruhende Zahlung ist als Einkommen zu berücksichtigen; die Privilegierung von Schmerzensgeldansprüchen nach § 11 Abs. 3 Nr. 2 SGB 2 soll nur dem Geschädigten selbst zugute kommen, nicht aber dessen Rechtsnachfolger.

3. Die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben sind nach § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB 2 abzusetzen. Hierzu zählen u. a. die Kosten für die Ausstellung des Erbscheins sowie Bestattungskosten. Die Absetzungsmöglichkeiten nach § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB 2 sollen sicherstellen, dass nur tatsächlich für den Lebensunterhalt vorhandene Mittel berücksichtigt werden.

4. Ein vom Grundsicherungsträger vorgenommener Verteilzeitraum einmaliger Einnahmen von zwölf Monaten ist nicht zu beanstanden.

 

Tenor

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung und Rückforderung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der Kläger, an dessen gewöhnlichem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland und Erwerbsfähigkeit im Jahr 2008 keine Zweifel bestehen, ist am ... 1948 geboren. Er bezog seit Mai 2005 laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Am ... 2007 verstarb die Mutter des Klägers. Das Amtsgericht Hamburg-B. stellte zunächst einen Erbschein aus, der den Kläger und seine Schwester als Miterben zu je 1/2 auswies. Nachdem ein Testament gefunden worden war, das den Kläger zum Alleinerben einsetzte, zog das Amtsgericht Hamburg-B. den gemeinschaftlichen Erbschein mit Beschluss vom 28. August 2007 ein und stellte am 7. September 2007 einen Erbschein aus, der den Kläger als Alleinerben auswies. Eine Erklärung des Klägers über die Ausschlagung des Erbes sah das Amtsgericht Hamburg-B. als unerheblich an. Der Kläger beantragte daraufhin die Einziehung des Erbscheins vom 7. September 2007, was das Amtsgericht Hamburg-B. mit Beschluss vom 22. November 2007 zurückwies (507 IV-VI 739/07). Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde wies das Landgericht Hamburg mit Beschluss vom 29. Januar 2008 zurück (301 T 649/07). In der Begründung führte das Landgericht aus, der Erbschein vom 7. September 2007 sei richtig, der Kläger sei Alleinerbe seiner Mutter geworden.

Der Kläger führte einen Schadensersatzprozess seiner Mutter gegen die E.-Klinik H. GmbH (im Folgenden: E.-Klinik) vor dem Landgericht Hamburg fort (303 O 307/04). Mit Urteil vom 4. April 2008 sprach das Landgericht dem Kläger einen Zahlungsanspruch in Höhe von 80.908,43 Euro nebst Zinsen zu. Der Kläger und die E.-Klinik legten Berufung beim Hanseatischen Oberlandesgericht (1 U 79/08) ein. In der Berufungsbegründung vom 24. Juli 2008 führte die E.-Klinik aus, dass die Haftung dem Grunde nach und die Verpflichtung zur Zahlung einer "unstreitigen Urteilssumme" von 38.004,82 Euro akzeptiert werde.

Die Rechtsvorgängerin des Beklagten, die H. Arbeitsgemeinschaft SGB II, bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 23. April 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Monate Mai bis Oktober 2008. Für die Monate September und Oktober 2008 ergingen Änderungsbescheide am 17. Mai 2008 und am 4. September 2008. In dem Bescheid vom 4. September 2008 hieß es "für Sie werden Leistungen für die Zeit vom 01.09.2008 bis 31.10.2008 in folgender Höhe bewilligt [ ]. Folgende Änderungen sind eingetreten: September und Oktober 2008: Berücksichtigung eines Einkommens aus einer selbständigen Tätigkeit aufgrund der Selbsteinschätzung. Dies ist ein vorläufiger Bescheid. Nach Vorlage der monatlichen Abrechnung erfolgt eine endgültige Berechnung der Leistungen. Vorsorglich werden Sie darauf hingewiesen, dass eventuell zu viel gezahlte Leistungen erstattet werden müssen." Der Kläger hatte zuvor mitgeteilt, dass er seine selbständige Tätigkeit als Bauunternehmer/Ingenieur für Dämmtechnik wieder aufnehme.

Am 18. September 2008 wurde einem Sparkonto (S.) des Klägers bei der S.-Bank ein Zahlungseingang in Höhe von 48.713,25 Euro von der Versicherung der E.-Klinik mit dem Betreff "nicht angefochtene Urteilssumme zzgl. Zinsen" gutgeschrieben.

Mit weiteren Änderungsbescheiden vom 9. Oktober 2008 (nur bzgl. Oktober 2008) und vom 6. November 2008 (bzgl. September und Oktober 2008) bewilligte die Rechtsvorgängerin des Beklagten dem Kläger für die Monate September und Oktober 2008 zuletzt jeweils Leistungen in Höhe von 618,75 Euro (351,- Euro Regelbedarf, 267,75 Euro Kosten der Unterkunft und Heizung). Der Bescheid vom 9. Oktober 2008 entsprach hinsichtlich der Formulierung zur Leistungsgewährung und zur Vorläufigkeit dem Besche...

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