Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Rentenversicherung: Rente wegen Erwerbsminderung. Berücksichtigung der Genese einer Erkrankung bei der medizinischen Beurteilung einer Erwerbsminderung. Beurteilung der medizinischen Voraussetzung zu einem bestimmten Zeitpunkt. Versicherungsrechtliche Voraussetzungen. Leistungsfall. Beweisantrag

 

Orientierungssatz

1. Für die Einschätzung der rentenrechtlichen Folgen einer Erkrankung (hier: Beurteilung des Vorliegens einer Erwerbsminderung) sind allein die aus einer Gesundheitsbeeinträchtigung resultierenden Leistungseinschränkungen relevant, nicht dagegen deren Genese bzw. die persönlichen Umstände ihrer Entstehung. Insoweit kommt es für die Beurteilung des Umfangs der Gesundheitsbeeinträchtigung in einem bestimmten Zeitpunkt (hier: versicherungsrechtliche Voraussetzungen) nicht auf die mögliche künftige Entwicklung an.

2. Einzelfall zur Beurteilung des Vorliegens der medizinischen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung zu einem bestimmten Stichtag (hier: verneint).

 

Normenkette

SGB VI §§ 43, 241 Abs. 2; SGG § 116

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 07.08.2014; Aktenzeichen B 13 R 441/13 B)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung im Streit.

Die am xxx 1956 geborene Klägerin absolvierte von 1975 bis 1978 eine Lehre als Fotografin und war im Anschluss daran bis zur Geburt ihres Kindes 1982 im erlernten Beruf tätig. Seit dem 1. Januar 1993 war die Klägerin als Bürofachkraft für Werbung beschäftigt. Seit Juli 2001 war sie dauerhaft arbeitsunfähig wegen Schmerzen am ganzen Körper. Vom 12. Juni 2001 bis zum 5. Juli 2001 befand sich die Klägerin in medizinischer Rehabilitation in der Rheumaklinik B ... Im Entlassungsbericht vom 24. Juli 2001 heißt es, die Klägerin leide unter dem Vollbild eines Fibromyalgiesyndroms. Dieses gehe einher mit einer ubiquitären Schmerzsymptomatik, psychischen Auffälligkeiten sowie multiplen vegetativen und funktionellen Störungen. Wegweisende Laborbefunde und röntgenologische Veränderungen fehlten bei diesem Erkrankungsbild. Trotz intensiver therapeutischer Bemühungen habe keine Besserung der angegebenen Beschwerden erreicht werden können. Leichte Tätigkeiten ohne häufiges Bücken, schweres Heben und Tragen von Lasten, ohne Zwangshaltungen der Wirbelsäule, ohne Überkopfarbeiten, ohne anhaltendes Gehen oder Stehen, ohne Arbeiten unter hohem Zeitdruck, ohne Arbeiten, die eine andauernde Konzentration erforderten, ohne Arbeiten, die eine gute Greif- und Ausdauerkraft beider Hände benötigten, ohne Arbeiten mit häufigem Klettern oder Steigen, ohne Arbeiten auf Gerüsten oder auf unebenem Untergrund, ohne Arbeiten unter Einwirkung von Kälte, Nässe oder Zugluft, könne die Klägerin sechs Stunden täglich und mehr verrichten.

Am 25. Juli 2001 stellte die Klägerin erstmals einen Antrag auf Versichertenrente. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine internistische Begutachtung durch Dr. M., der in seinem Gutachten vom 8. Oktober 2001 ausführte, die Klägerin habe angegeben, seit zwei Jahren unter Schmerzen am ganzen Körper zu leiden. Betroffen seien insbesondere Brustwirbelsäule und Lendenwirbelsäule sowie beide Schultern, jedoch auch Arme, Beine und Kiefergelenke. Sie könne sich nicht allein die Haare waschen. Schmerzbedingt leide sie auch unter enormen Konzentrationsstörungen. Sie leide auch häufig unter Migränekopfschmerzen. Die Klägerin habe bedrückt gewirkt, mit spürbarem Leidensdruck, die Beschwerdeschilderung sei unter Tränen erfolgt. Denkstörungen und Anzeichen einer vitalen Depressivität hätten sich jedoch nicht gezeigt. Auf internistischem Gebiet bestehe eine diätetisch unzureichend behandelte Zuckerkrankheit, die noch nicht zu sozialmedizinisch relevanten Folgeschäden geführt habe. Im Vordergrund stünden unklare Muskelschmerzen mit dem subjektiven Gefühl der Muskelschwäche. Das U.-Krankenhaus berichte von einer metabolischen Myopathie. Die Würdigung müsse einem nervenärztlichen Gutachten vorbehalten bleiben. Internistisch könne die Klägerin leichte Arbeiten vollschichtig verrichten.

Die Beklagte veranlasste daraufhin eine weitere Begutachtung, die durch den Neurologen und Psychiater Dr. von M1 am 28. November 2001 erfolgte. Auch dort schilderte die Klägerin Schmerzen am ganzen Körper, inklusive der Kaumuskulatur, an Händen und Füßen. Außerdem leide sie an Schlafstörungen wegen der Schmerzen und an Migräneattacken bis zu viermal im Monat. Darüber hinaus wurden Depressionen beklagt, die sich in ständiger Traurigkeit, Erschöpfung, Konzentrationsstörungen, Antriebsminderung äußerten. Von ca. 1995 bis Mitte 1998 habe sie sich in Psychotherapie befunden. Zum Tagesablauf befragt, gab die Klägerin an, um 7:30 Uhr aufzustehen und zu frühstücken, dann mache sie den Haushalt selbst, mit vielen Pausen. Schwerere Tätigkeiten übernähmen Mann und Sohn, schon Kartoffelschälen und Gemüseputzen f...

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