Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben. Förderung der Begegnung und des Umgangs mit nichtbehinderten Menschen. Urlaubsreise

 

Orientierungssatz

1. Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in Form der Kostenübernahme für eine Urlaubsreise kommen nur dann in Betracht, wenn durch die Urlaubsreise die Folgen der Behinderung mindestens gemildert werden und die Reise dazu beiträgt, den Betroffenen in die Gesellschaft einzugliedern und hierbei insbesondere die Begegnung mit nichtbehinderten Menschen zu fördern, wobei zu berücksichtigen ist, ob der Betroffene nicht schon auf andere Weise in die Gesellschaft eingegliedert ist.

2. Eine Kostenübernahme kommt dagegen nicht in Betracht, wenn der Betroffene aufgrund seiner Wohnsituation und seines Beschäftigungsverhältnisses bereits am Leben in der Gemeinschaft teilhat, vor allem aber, wenn die Urlaubsreise keine speziellen Inhalte zur Begegnung mit nichtbehinderten Menschen aufweist.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtlichen Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Bewilligung von Leistungen für die sog. gastweise Unterbringung im Rahmen der Eingliederungshilfe.

Der am xxx 1975 geborene Kläger ist mehrfach körperlich behindert und auf einen Rollstuhl angewiesen. Für ihn sind ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Nachteilsausgleiche G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr), aG (außergewöhnliche Gehbehinderung), RF (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) und H (Hilflosigkeit) festgestellt. Er erhält Leistungen der Pflegekasse. Pflegeperson ist bis heute im Wesentlichen seine Mutter. Bis Ende des Jahres 2004 wohnte der Kläger bei seinen Eltern, er zog dann in eine eigene, etwa 4,5 km entfernt gelegene Wohnung. Der Kläger steht in einem Beschäftigungsverhältnis.

In den Jahren 2003 und 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur sogenannten gastweisen Unterbringung bei Ferienreisen (gemäß Dienstanweisung zu § 54 Abs. 1 SGB XII in Verbindung mit § 55 SGB IX, Kurzfristige vollstationäre Betreuung "Gastweise Unterbringung" (GU), Az. 147.00-58-1, Stand Dezember 2005). Ein im Jahre 2005 gestellter Antrag wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 11. April 2005 mit der Begründung abgelehnt, dass der Kläger nicht mehr im Haushalt der Eltern lebe. Das Ziel der beantragten Leistung sei es, Personen zu unterstützen und zu entlasten, die einen behinderten Angehörigen in ihrem Haushalt betreuten und versorgten. Diese Voraussetzung liege bei dem Kläger jedoch nicht mehr vor. Ein weiterer Antrag des Klägers vom 10. Juli 2008 auf Übernahme von Kosten für eine Ferienreise wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 22. Juli 2008 abgelehnt; der hiergegen erhobene Widerspruch wurde zurückgenommen, nachdem die Beklagte in einem weiteren Schreiben vom 9. Oktober 2008 mitgeteilt hatte, dass eine Kostenübernahme schon wegen der verspäteten Antragstellung nicht erfolgen werde.

Am 23. Januar 2009 beantragte der Kläger erneut die Bewilligung einer Pauschale für die gastweise Unterbringung, was die Beklagte am 26. Januar 2009 mit der Begründung ablehnte, dass der Kläger nicht in der Häuslichkeit der eigenen Familie betreut und versorgt werde. Den hiergegen gerichteten Widerspruch vom 12. Februar 2009, eingegangen bei der Beklagten am 13. Februar 2009, begründete der Kläger damit, dass er seine Mutter zeitlich begrenzt von der Pflegetätigkeit entlasten wolle. Das gelte unabhängig von der Frage, ob die Pflege in der familiären Häuslichkeit stattfinde. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. September 2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung hieß es wiederum, dass Voraussetzung dieser Leistung sei, dass der Kläger in der Häuslichkeit der eigenen Familie betreut und versorgt werde. Die Inanspruchnahme sei dann "rund um die Uhr" gegeben, davon solle entlastet werden. Mit einer Verhinderungspflege sei die gastweise Unterbringung nicht vergleichbar, da erstere der Aufrechterhaltung kontinuierlicher Pflege diene, wenn die Pflegeperson verhindert sei.

Der Kläger hat am 1. Oktober 2009 Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben. Er hat geltend gemacht, dass ihm die für eine gastweise Unterbringung vorgesehene Pauschale zustehe, denn es sei kein sachlicher Grund erkennbar, diese Leistungen auf behinderte Menschen zu beschränken, die im elterlichen Haushalt gepflegt und betreut würden. Die Belastung der Pflegepersonen - hier vor allem der Mutter des Klägers - sei praktisch in jeder Hinsicht mit der Belastung vergleichbar, die mit der Pflege des Klägers im elterlichen Haushalt verbunden gewesen sei. Teilweise sei der Aufwand nach dem Auszug des Klägers sogar noch höher gewesen. Hinzu komme, dass die Wohnung der Eltern baulich nicht für den Aufenthalt und die Pflege des Klägers geeignet sei.

Die Beklagte hat sich auf die Gründe der angefochtenen Bescheide ...

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