Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Umdeutung der Aufhebung in eine Rücknahme der Bewilligung. Vermögensberücksichtigung. keine Übertragbarkeit von Vermögensfreibeträgen auf minderjährige Kinder. verfassungskonforme Auslegung

 

Orientierungssatz

1. Eine nach § 45 SGB 10 gebotene Aufhebung eines Sozialleistungsbescheids für die Zukunft ist nicht deshalb rechtswidrig, weil sich die Behörde im Aufhebungsbescheid irrtümlich auf § 48 SGB 10 als Rechtsgrundlage stützt, soweit auch im Rahmen einer Aufhebung nach § 45 SGB 10 ein Ermessen bezüglich der Aufhebungsentscheidung nicht gegeben war.

2. Nicht ausgeschöpfte Vermögensfreibeträge nach § 12 Abs 2 Nr 1 SGB 2 können nicht auf minderjährige Kinder übertragen werden.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 21. April 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit von Januar 2005 bis Dezember 2006.

1.

Die Klägerin ist 1989 geboren. Sie ist Halbwaise und wohnt mit ihrem Vater, der zugleich ihr Prozessbevollmächtigter ist, in einem gemeinsamen Haushalt.

Im Januar 2005 beantragte der Vater der Klägerin für sich und die Klägerin, die Kindergeld sowie eine Halbwaisenrente in Höhe von 200,53 EUR monatlich bezog, bei dem Beklagten Leistungen nach dem SGB II.

Bei der Antragsprüfung wurde bekannt, dass die Klägerin zu Beginn des Jahres 2005 über ein Vermögen in Höhe von insgesamt 16.876,80 EUR verfügte, das sich aus drei verschiedenen Positionen ergab:

- ein Sparkonto bei der H. Sparkasse (Nr. 3237/...), das am 5. Januar 2005 ein Guthaben in Höhe von 2.759,07 EUR aufwies;

- ein weiteres Sparkonto bei der H. Sparkasse (Nr. 3237/...) mit einem Guthaben in Höhe von 5.364,14 EUR am 5. Januar 2005 sowie

- einen Anfang 1999 abgeschlossenen sog. Renta-Plan (Nr. 3171/...). Hierbei handelte es sich um einen auf die Klägerin lautenden Sparkassenbrief, dem ein Nennbetrag von seinerzeit 90.000,-- DM (= 46.016,26 EUR) zugrunde lag, der für die Zeit von März 1999 bis Februar 2006 mit einem Festzins zu verzinsen war. Gemäß Ziffer 2 des Vertrages sollte die Klägerin ab dem 1. März 1999 aus Zinsen und Kapital monatlich einen gleichbleibenden Betrag in Höhe von 1.200,-- DM (= 613,55 EUR) ausgezahlt erhalten. Die Kündigung des Vertrages war ausgeschlossen. Am 31. Dezember 2004 belief sich das Guthaben der Klägerin noch auf einen Betrag in Höhe von 8.753,59 EUR.

2.

Am 8. Februar 2005 erließ der Beklagte einen Leistungsbescheid, mit dem der Klägerin und ihrem Vater für den Monat Januar 2005 ein Betrag von 417,65 EUR und für die Monate Februar 2005 bis Juni 2005 ein Betrag in Höhe von monatlich 1.115,32 EUR bewilligt wurde. Der Bewilligungsbetrag wurde mit Bescheid vom 11. März 2005 für die Monate Februar bis Juni 2005 abgeändert.

Mit Bescheid vom 7. April 2005 hob der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 8. Februar 2005 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 11. März 2005 nach § 48 SGB II mit Wirkung für die Monate April bis Juni 2005 auf. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass die Klägerin nicht hilfebedürftig sei. Sie verfüge im Hinblick auf die vorstehend bezeichneten Sparkonten und den Renta-Plan über eigenes Vermögen, das den ihr zustehenden Freibetrag übersteige und in seinem überschießenden Teil vorrangig zur Deckung des Lebensunterhalts der Klägerin einzusetzen sei.

Mit weiterem Bescheid vom 7. April 2005 wurden dem Vater der Klägerin für die Zeit von April bis Juni 2005 Leistungen in Höhe von monatlich 596,88 EUR bewilligt; der Bedarf der Klägerin blieb dabei unberücksichtigt.

Mit Schreiben vom 14. April 2005 widersprach die Klägerin dem Bescheid des Beklagten vom 11. März 2005 sowie den Bescheiden vom 7. April 2005.

Mit weiterem Änderungsbescheid vom 8. Juni 2005 setzte der Beklagte die dem Vater der Klägerin zustehende Leistung für den Monat Juni 2005 auf 643,63 EUR monatlich fest. Der Bedarf der Klägerin blieb wiederum unberücksichtigt. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 14. Juni 2005 Widerspruch ein.

Schließlich erließ der Beklagte am 22. Juni 2005 einen Bescheid, der dem Vater der Klägerin für die Zeit von Juli bis Dezember 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 643,63 EUR zusprach. Der Bedarf der Klägerin wurde wiederum nicht berücksichtigt. Diesem Bescheid widersprach die Klägerin mit Schreiben vom 11. Juli 2005.

Ein im Mai 2005 beim Sozialgericht Hamburg gestellter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem der Beklagte verpflichtet werden sollte, der Klägerin vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu zahlen, wurde mit Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 23. Juni 2005 (Az.: S 52 AS 356/05 ER) unter Verweis auf das Vermögen der Klägerin zurückgewiesen. Eine dagegen gerichtete Beschwerde wurde mit Beschluss des Landessozialgerichts Hamburg...

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