Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Untätigkeitsklage. Erlass eines Abhilfebescheids und Mitteilung hierüber durch die Behörde an das Gericht. kein (konkludentes) Anerkenntnis

 

Orientierungssatz

1. Ein Anerkenntnis ist das im Wege einseitiger Erklärung abgegebene uneingeschränkte Zugeständnis, dass der mit der Klage geltend gemachte prozessuale Anspruch besteht. Es folgt aus der Dispositionsmaxime der Beklagten, den Rechtsstreit zu beenden und muss als Prozesshandlung gegenüber dem Gericht abgegeben werden.

2. Weder der Erlass des mit einer Untätigkeitsklage begehrten Bescheids noch die Mitteilung hierüber durch die Behörde an das Gericht stellen ein konkludentes Anerkenntnis dar.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 10.10.2017; Aktenzeichen B 12 KR 3/16 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 2. Juli 2015 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass das Verfahren S 2 KR 427/11 nicht beendet ist.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt der Entscheidung des Sozialgerichts im Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten nur noch darüber, ob und gegebenenfalls auf welche Weise das Verfahren vor dem Sozialgericht (S 2 KR 427/11) beendet ist.

Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens war eine Untätigkeitsklage. Dem lag zugrunde, dass die Beklagte mit zwei Bescheiden gegenüber dem Kläger zunächst Beiträge zur Krankenversicherung festgesetzt und sodann das Ruhen des Leistungsanspruchs festgestellt hatte. Den hiergegen gerichteten Widersprüchen half sie ab, den Antrag des Klägers auf Erstattung der Kosten der Widerspruchsverfahren lehnte sie jedoch mit Bescheid vom 14. Oktober 2010 ab. Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 19. Oktober 2010 Widerspruch.

Mit seiner am 27. April 2011 erhobenen Untätigkeitsklage (S 2 KR 427/11) hat er zunächst beantragt, die Beklagte zur Entscheidung über seinen Widerspruch gegen den Bescheid vom 14. Oktober 2010 zu verurteilen. Mit Schriftsatz vom 31. Mai 2011 hat die Beklagte dem Sozialgericht mitgeteilt, dass sie dem Widerspruch des Klägers mittlerweile abgeholfen habe und das Verfahren damit seine Erledigung gefunden haben dürfte. Mit Schriftsatz vom 5. Juli 2011 hat der Bevollmächtigte den Abhilfebescheid vom 31. Mai 2011 übersandt und um eine Stellungnahme der Beklagten zu den Kosten gebeten. Diese hat mit Schriftsatz vom 3. August 2011 mitgegeilt, dass sie die Kosten des Verfahrens dem Grunde nach übernehmen werde.

Nach mehrfacher Bitte des Sozialgerichts um Abgabe einer prozessbeendenden Erklärung hat der Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 18. April 2012 erklärt, dass er das Anerkenntnis der Beklagten annehme. Gleichzeitig hat er darauf hingewiesen, dass das Anerkenntnis nicht in eine Erledigungserklärung umzudeuten sei, falls das Sozialgericht davon ausgehe, dass es keine konkludenten Anerkenntnisse bei Untätigkeitsklagen gebe.

Mit Schreiben vom 2. Mai 2012 hat das Sozialgericht die Beteiligten zum beabsichtigten Erlass eines Gerichtsbescheides angehört und darauf hingewiesen, dass keine Erledigungserklärung abgegeben worden sei. Die Fortführung des Rechtsstreits werde als rechtsmissbräuchlich betrachtet, da nicht mehr das ursprüngliche Klagebegehren verfolgt werde, sondern die Abgabe der prozessbeendenden Erklärung lediglich aus gebührenrechtlichen Gründen verweigert werde.

Nach dem Austausch weiterer Schriftsätze und einem Wechsel im Vorsitz der zuständigen Kammer hat das Sozialgericht einen abweichenden Hinweis erteilt: Es sei davon auszugehen, dass der Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 18. April 2012 eine prozessbeendende Erklärung abgegeben habe. Keiner der Beteiligten begehre mehr eine Entscheidung in der Hauptsache, sodass das Verfahren als erledigt anzusehen sei. Ob diese Erklärung als Annahme eines Anerkenntnisses oder als Erledigungserklärung anzusehen sei, spiele allenfalls im Rahmen der Kostenfestsetzung eine Rolle.

Mit weiterem Schreiben vom 6. Dezember 2013 forderte das Sozialgericht den Bevollmächtigten auf, einen konkreten Antrag zu steilen. Dieser teilte daraufhin mit, die Aufforderung, einen konkreten Antrag zu stellen, sei nicht mit dem Problem in Einklang zu bringen, dass über das “ob„ und das “wie„ der Beendigung des Rechtsstreits gestritten werde. Er müsse daher abwarten, welche Auffassung das Gericht hierzu vertrete, um in der mündlichen Verhandlung einen sachgerechten Antrag stellen zu können.

Mit Schlussverfügung vom 18. Dezember 2013 hat das Sozialgericht das Verfahren als beendet bezeichnet und ausgetragen.

Mit Schriftsatz vom 8. Januar 2014 hat der Bevollmächtigte des Klägers beantragt, das Verfahren fortzuführen und eine mündliche Verhandlung anzuberaumen. Dort werde dann entweder beantragt, festzustellen, dass der Rechtsstreit durch angenommenes Anerkenntnis beendet sei oder - hilfsweise - festzustellen, dass der Rechtsstreit durch die Erklärung vom 18...

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