nicht rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. nicht zugelassenes Arzneimittel. kein Off-Label-Use

 

Leitsatz (amtlich)

Es besteht kein Anspruch auf Versorgung mit einem zulassungspflichtigen, in Deutschland nicht zugelassenen Arzneimittel im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl BSG vom 19.3.2002 - B 1 KR 37/00 R = BSGE 89, 184 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 und vom 18.5.2004 - B 1 KR 21/02 R = BSGE 93, 1 = SozR 4-2500 § 31 Nr 1). Eine Gewährung im Rahmen des sogenannten Off-Label-Use kommt in einem solchen Fall grundsätzlich nicht in Betracht. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Durchführung eines Zulassungsverfahrens nicht - zB wegen der Seltenheit der Erkrankung - von vornherein ausgeschlossen ist.

 

Verfahrensgang

SG Hamburg (Entscheidung vom 17.05.2004; Aktenzeichen S 28 KR 440/03)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 04.04.2006; Aktenzeichen B 1 KR 7/05 R)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 17. Mai 2004 wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung der Kosten für die in der Zeit vom 19. August 2002 bis 18. Februar 2003 durchgeführte Arzneimitteltherapie mit dem in Deutschland nicht zugelassenen Medikament Tomudex (Handelsname: Ralitrexed) in Höhe von 8.320,59 Euro streitig.

Bei der am XX.XXXXX 1947 geborenen Klägerin wurde nach einer Darmkrebsoperation im Juli 2002 zuerst das Mittel "5FU" (Fluoruracil) zur Chemotherapie angewendet. Dieses Mittel musste jedoch abgesetzt werden, nachdem koronarspastische Nebenwirkungen aufgetreten waren (Entlassungsbericht des Klinikums N. vom 16.8.02). Daraufhin beantragte der Internist/Onkologe Dr. H. bei der Beklagten im August 2002 die Fortsetzung der adjuvanten Chemotherapie der Klägerin mit dem Medikament Tomudex. Es gebe hierzu keine Behandlungsalternative.

Die Klägerin wurde ab 19. August 2002 bis zum 24. Februar 2003 mit acht Einheiten des Medikaments Tomudex behandelt (Gesamtkosten 8.320,59 Euro).

Der von der Beklagten eingeschaltete Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) vertrat die Auffassung, dass eine Bewilligung nicht in Betracht komme, weil die Kriterien des sog. "Off-Label-Use" nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht erfüllt seien (Gutachten der Sozialmedizinerin G. vom 26.8.02). Das Mittel sei in Deutschland nicht zur Krebstherapie zugelassen. Zwar handele es sich bei der Krebserkrankung der Klägerin um eine nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung und es sei wegen der Unverträglichkeit von 5FU auch keine andere Therapie verfügbar. Jedoch fehle eine verlässliche Datenlage, um von einer begründeten Aussicht auf einen Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) ausgehen zu können. Das folge bereits aus der von der Herstellungsfirma selbst geschilderten Studienlage. Aufgrund erheblicher Nebenwirkungen von Tomudex sei eine Überlegenheit gegenüber 5FU nicht zu erkennen. Auch sei einen geringere kardiale Toxität von Tomudex nicht erwiesen, sondern es gebe nur Einzelfallberichte, wonach eine sich unter 5FU entwickelte Angina beim Umsetzen auf Tomudex nicht mehr gezeigt habe. Der MDK hatte dabei u.a. die Ausführungen der Herstellungsfirma A.Z. im Schreiben vom 15. August 2002 ausgewertet, die dort weiter darlegte, die Studien seien von ihrer Seite abgebrochen worden, nachdem die Zahl der behandlungsbedingten Todesfälle bei Tomudex (17 Fälle) höher gelegen hätten als bei 5FU (7 Fälle) und abschließend mitteilte, dass bezüglich eines möglichen adjuvanten Einsatzes, der sehr selten nachgefragt werde, keine Wirksamkeitsdaten vorlägen. Das Mittel sei in Deutschland nicht zugelassen, verfüge aber über eine Zulassung in mehreren westlichen Ländern.

Mit Bescheid vom 10. September 2002 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab und wies den dagegen gerichteten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 2003 zurück.

Mit Urteil vom 17. Mai 2004 hat das Sozialgericht die dagegen gerichtete Klage abgewiesen. Abgesehen davon, dass die Kosten der am 4. September 2003 durchgeführten Behandlung möglicherweise schon deswegen nicht erstattungsfähig seien, weil die Klägerin eine Entscheidung der Beklagten nicht abgewartet habe, scheide die Kostenerstattung für die weitere Behandlung aus, da die Beklagte das nicht zugelassene Medikament auch nicht als Sachleistung schulde. Das Mittel sei zulassungsbedürftig und es reiche nicht, dass eine Verordnung unter bestimmten Umständen nicht strafbewehrt sei, um den Anforderungen an den Qualitätsstandard der Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung zu genügen. Ein Systemversagen liege nicht vor und mangels Zulassung komme auch eine Verordnung im Rahmen eines Off-Label-Use nicht in Betracht.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie vertritt die Auffassung, auch die Kosten für das nicht auf dem deutschen Markt zugelassene Arzneimittel Tomudex seien von der Beklagten zu erstatten, weil die fehlend...

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