Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Verhinderung des Arbeitsmarktzugangs aufgrund einer psychischen Erkrankung bei einem nach § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachten Versicherten

 

Orientierungssatz

Zum Vorliegen einer Erwerbsminderung bei einem Versicherten, der aufgrund einer angeordneten Unterbringung nach § 63 StGB nicht fähig ist, einer Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nachzugehen; wobei eine psychische Erkrankung wesentliche Bedingung für die Verhinderung des Arbeitsmarktzugangs ist.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 25.05.2018; Aktenzeichen B 13 R 30/17 R)

BSG (Beschluss vom 06.09.2017; Aktenzeichen B 13 R 249/16 B)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 12. März 2015 und der Bescheid der Beklagten vom 30. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2013 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. August 2012 auf Dauer zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der am x. 1964 geborene Kläger erlangte im August 1983 die Mittlere Reife und besuchte anschließend bis Juli 1985 eine Fachoberschule, die er mit dem Fachabitur abschloss. Anschließend nahm er nach eigenen Angaben eine Ausbildung zum Groß- und Einzelhandelskaufmann auf, die er entweder zum 31. Dezember 1985 (so seine Angaben bei Rentenantragstellung) oder aber zum 28. Februar 1986 (so seine Angaben gegenüber dem Sachverständigen Prof. Dr. H.) abbrach. Danach war er bis Ende 1986 versicherungspflichtig beschäftigt und leistete von Januar 1987 bis einschließlich August 1988 Zivildienst. Zwischen September 1988 und Dezember 1990 war er - unterbrochen durch eine Umschulung in der Zeit von September 1989 bis zum Mai 1990 - als Grafik-Designer beschäftigt. Vom 24. Dezember 1990 bis zum 18. Juli 1994 befand sich der Kläger in Untersuchungshaft.

Sein Versicherungsverlauf stellt sich für die Zeit bis zu seiner Inhaftierung wie folgt dar:

1. August 1985 bis 31. Dezember 1985 5 Monate Pflichtbeitragszeit

1. Januar 1986 bis 28. Februar 1986 2 Monate Pflichtbeitragszeit

1. März 1986 bis 31. Dezember 1986 10 Monate Pflichtbeitragszeit

5. Januar 1987 bis 31. Dezember 1987 12 Monate Pflichtbeitragszeit

1. Januar 1988 bis 31. August 1988 8 Monate Pflichtbeitragszeit

12. September 1988 bis 30. September 1988 1 Monat Pflichtbeitragszeit

1. Oktober 1988 bis 30. November 1988 2 Monate Pflichtbeitragszeit

1. Dezember 1988 bis 31. Dezember 1988 1 Monat Pflichtbeitragszeit

1. Januar 1989 bis 28. September 1989 9 Monate Arbeitslosigkeit

29. September 1989 bis 17. Dezember 1989 3 Monate Arbeitslosigkeit

18. Dezember 1989 bis 31. Dezember 1989 Arbeitslosigkeit

1. Januar 1990 bis 28. Februar 1990 2 Monate Arbeitslosigkeit

1. März 1990 bis 14. März 1990 1 Monat Pflichtbeitragszeit

1. März 1990 bis 14. März 1990 Arbeitslosigkeit

15. März 1990 bis 31. Dezember 1990 9 Monate Pflichtbeitragszeit

Durch Urteil des Landgerichts Hamburg vom 6. April 1993 (Aktenzeichen 622 Ks 7/92) wurde der Kläger wegen Mordes in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Vergewaltigung und Entführung gegen den Willen der Entführten, in einem Fall darüber hinaus in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Gericht ordnete gemäß § 63 Strafgesetzbuch (StGB) die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, da der Kläger die rechtswidrigen Taten im Zustand verminderter Schuldfähigkeit im Sinne von § 21 StGB begangen habe und da aufgrund seiner bisher unbehandelt gebliebenen krankhaften Persönlichkeitsstörung mit weiteren Tötungstaten zum Nachteil ihm bis dahin unbekannter Zufallsopfer zu rechnen und er deswegen in ganz hohem Maße für die Allgemeinheit gefährlich sei. Das Urteil wurde am 6. Juli 1994 rechtskräftig.

Nach den Feststellungen des Strafurteils verspürte der Kläger erstmals im Sommer 1987 den Drang, eine Frau zu töten. Nachdem sich dies im November 1987 zunächst ohne Folgen wiederholt hatte, tötete der Kläger am 23. November 1987 eine 20-jährige Studentin. Nachdem ein weiteres Auftreten des Tötungsdrangs Anfang Januar 1988 wiederum ohne konkrete Folgen geblieben war, beging der Kläger am 16. Januar 1988 eine tateinheitlich begangene Nötigung, Freiheitsberaubung und vorsätzliche Körperverletzung zum Nachteil einer 19-jährigen Schülerin, wegen der er am 11. Mai 1988 vom Amtsgericht Hamburg- Wandsbek (Aktenzeichen 725c-213/88 - Ls 51 Js 79/88) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt wurde. Auch diese Tat war vom Tötungsdrang getragen. In der Nacht vom 10. auf den 11. Februar 1988 töte der Kläger, der erneut einen solchen Drang verspürt hatte, eine weitere Frau. Das Verlangen, eine ihm unbekann...

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