Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. fiktive Bemessung. Ermittlung des Bemessungszeitraums. Zeiten des Elterngeldbezugs. freiwillig weiterversicherter Selbständiger. betreuungs- und erziehungsbedingte Minderung von Arbeitszeit und Arbeitsentgelt. Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung

 

Orientierungssatz

Bei der Ermittlung des Bemessungszeitraums bleiben gem § 150 Abs 2 S 1 Nr 3 SGB 3 Zeiten außer Betracht, in denen ein nunmehr Arbeitsloser, der vor dem Bezug von Elterngeld oder Erziehungsgeld wegen selbständiger Tätigkeit freiwillig weiterversichert war, Elterngeld oder Erziehungsgeld bezogen hat und in einem neuen abhängigen Beschäftigungsverhältnis betreuungs- und erziehungsbedingt die Arbeitszeit und das Arbeitsentgelt gegenüber der monatlichen Bezugsgröße vermindert war.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 21.06.2018; Aktenzeichen B 11 AL 8/17 R)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 17. März 2016 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 6. Mai 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 2015 sowie der Bescheide vom 7. Juli 2015, 10. August 2015, 1. September 2015 und 24. September 2015 verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung eines fiktiven Bemessungsentgelts nach der Qualifikationsgruppe 1 für die Zeit vom 1. Mai 2015 bis zum 30. September 2015 mit Ausnahme der Zeiträume 6. bis 8. Mai 2015, 10. Juli 2015, 5. August 2015, 4. September 2015 und 23. bis 26. September 2015 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt höheres Arbeitslosengeld (Alg) unter Zugrundelegung einer fiktiven Bemessung nach § 152 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III).

Die 1977 geborene Klägerin hat Studien der Germanistik (Master of Arts) sowie des Medienmanagements (Bachelor of Arts) abgeschlossen. Sie war seit dem Jahr 2009 freiberuflich als selbstständige Unternehmensberaterin tätig und übt diese Tätigkeit nach eigenen Angaben derzeit in Teilzeit aus.

Die Klägerin war freiwillig weiterversichert in der Arbeitslosenversicherung (gemäß § 28a SGB III) in den Zeiträumen vom 1. Mai 2009 bis zum 9. Juni 2011 (Bescheid vom 24. Juni 2009, aufgehoben durch Bescheid vom 13. Juli 2011) sowie vom 18. Juli 2011 bis zum 8. September 2013 (Bescheid vom 24. August 2011, Ruhen der Antragspflichtversicherung gemäß § 28a Abs. 4 SGB III, festgestellt durch Bescheid vom 24. Oktober 2013).

Vom 9. September 2013 bis zum 8. November 2014 befand sie sich in Elternzeit und bezog Elterngeld (Bescheid der Freien und Hansestadt Hamburg - Bezirksamt Hamburg-Nord - vom 4. September 2014). Weiterhin war sie vom 16. August 2014 bis zum 31. März 2015 bei der T. Universität H. als Redakteurin beschäftigt. Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit betrug zunächst 19,5 Stunden und ab Februar 2015 dann 31,2 Stunden. Das Brutto-Arbeitsentgelt belief sich im August auf 833,77 Euro, im September auf 1.507,73 Euro, im Oktober auf 1.615,73 Euro und im November auf 2.159,62 Euro (einschließlich einer Sonderzahlung von 544,10 Euro).

Nachdem sich die Klägerin am 7. April 2015 zum 1. Mai 2015 arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hatte, bewilligte die Beklagte ihr mit Bescheid vom 6. Mai 2015 Alg ab dem 1. Mai 2015 (mit Ausnahme der Zeit vom 6. bis 8. Mai 2015) bei einem täglichen Leistungsbetrag von 29,88 Euro. Hierbei legte sie ein Bemessungsentgelt von 63,67 Euro täglich zugrunde. Die Klägerin erhob am 1. Juni 2015 Widerspruch und führte aus, die Beklagte habe die Vorgaben des § 150 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB III nicht beachtet und weiterhin verkannt, dass eine unbillige Härte im Sinne von § 150 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB III vorliege. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 2015 zurück: Der Bemessungszeitraum umfasse gemäß § 150 Abs. 1 SGB III die beim Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasse ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs. Im vorliegenden Fall umfasse der Bemessungsrahmen die Zeit vom 1. Mai 2014 bis zum 30. April 2015. Der Bemessungszeitraum umfasse die Entgeltabrechnungszeiträume vom 16. August 2014 bis zum 31. März 2015. In diesem Zeitraum habe die Klägerin in 228 Tagen ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von insgesamt 14.516,62 Euro erzielt, was ein durchschnittliches tägliches Bemessungsentgelt von 63,67 Euro ergebe.

Die Voraussetzungen einer Erweiterung des Bemessungsrahmens auf zwei Jahre wegen unbilliger Härte lägen nicht vor. Dies wäre nur dann der Fall, wenn das Bemessungsentgelt aus dem erweiterten Bemessungsrahmen das um 10 Prozent erhöhte Bemessungsentgelt aus dem einjährigen Bemessungsrahmen überstiege. Jedoch habe die Klägerin im erweiterten B...

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