Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Einstweiliger Rechtsschutz bei deklaratorischer Feststellung des Nichtwirksamwerdens der unter einer aufschiebenden Bedingung erteilten Zulassung im Nachbesetzungsverfahren richtet sich nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG.

2. Aus Art. 12 Abs. 1 GG folgt in diesen Fällen nicht, dass vergleichbar zu den strengen Anforderungen an den Sofortvollzug zulassungsentziehender Entscheidungen die Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs abzusenken sind.

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 184.264,50 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die am 16. Februar 2011 eingelegte Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 10. Februar 2011 ist statthaft und zulässig (§§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG). Sie ist jedoch unbegründet.

Das von der Antragstellerin im Verfahren des gerichtlichen Eilrechtsschutzes verfolgte Ziel ihrer Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ist zulässig und sachgerecht (§ 123 SGG) nur im Wege einer einstweiligen Anordnung in Form der Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG erreichbar. Dies gilt unabhängig davon, ob ihrer Klage vor dem Sozialgericht Hamburg (S 3 KA 13/11) aufschiebende Wirkung zukommt.

Es spricht vieles dafür, dass die Klage gegen den Beschluss des Antragsgegners vom 19. Januar 2011, durch den ihr Widerspruch gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 1. Dezember 2010 - nach dem ihre mit Wirkung ab 1. Oktober 2009 ausgesprochene Zulassung für den Vertragsarztsitz S.-Straße, Hamburg, nicht wirksam geworden ist - zurückgewiesen worden ist, nach § 86a Abs. 1 SGG schon keine aufschiebende Wirkung hat. Dies entspräche der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 6.2.2008 - B 6 KA 41/06 R, SozR 4-2500 § 95 Nr. 14), nach der zwar nach § 86a Abs. 1 SGG Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung haben, dies aber nicht im Falle eines Verwaltungsakts gilt, der eine durch Gesetz eintretende Rechtsfolge lediglich deklaratorisch feststellt, wie dies im vom Bundessozialgericht entschiedenen Rechtsstreit einer Beendigung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung wegen Erreichens der Altersgrenze der Fall war. Hiermit schloss das Bundessozialgericht an seine vorbestehende Rechtsprechung an, die den Zulassungsgremien der vertragsärztlichen Versorgung die Befugnis zubilligt, deklaratorische Entscheidungen über das Ende der Zulassung zu treffen, um Rechtssicherheit herzustellen und für alle an der vertragsärztlichen Versorgung Beteiligten Klarheit darüber zu schaffen, ob ein Arzt (noch) berechtigt ist, vertragsärztlich tätig zu werden; dies betraf den mit dem vorliegenden vergleichbaren Fall, dass eine erteilte Zulassung wegen der Nichteinhaltung einer ihr beigefügten aufschiebenden Bedingung im Sinne des § 20 Abs. 3 Ärzte-ZV nicht wirksam geworden war (BSG 5.2.2003 - B 6 KA 22/02 R, SozR 4-2500 § 95 Nr. 2). Der Grundsatz, dass Rechtsbehelfe gegen nur deklaratorisch-feststellende Verwaltungsakte keine aufschiebende Wirkung entfalten, ist - so das Bundessozialgericht weiter - für den vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO ) , dem der vorläufige Rechtsschutz nach dem SGG nachgebildet ist, seit Langem anerkannt , und dementsprechend ist insoweit ebenso wie § 80 Abs. 1 VwGO auch die Regelung des § 86a Abs. 1 Satz 2 SGG, die von ihrem Wortlaut her auch die feststellenden Verwaltungsakte erfasst, dahingehend einschränkend auszulegen, dass Widerspruch und Klage nur bei konstitutiv-feststellenden, nicht aber bei deklaratorisch-feststellenden Verwaltungsakten aufschiebende Wirkung entfalten. Mithin unterscheiden sich Widerspruch und Anfechtungsklage im Falle deklaratorisch-feststellender Verwaltungsakte von Rechtsbehelfen etwa gegen die konstitutive Entziehung einer Zulassung nach § 95 Abs. 6 SGB V oder konstitutiv-feststellende Verwaltungsakte. Während letztere Rechtsbehelfe aufschiebende Wirkung entfalten, ist dies bei den nur deklaratorisch-feststellenden Verwaltungsakten nicht der Fall (vgl. erneut BSG 6.2.2008 - B 6 KA 41/06 R, SozR 4-2500 § 95 Nr. 14).

Es ergibt sich aber im Ergebnis nichts anderes, wenn man wie das Sozialgericht mit dem Wortlaut von § 86a Abs. 1 Satz 2 SGG Rechtsbehelfen gegen alle feststellenden Verwaltungsakte ihre gesetzlich angeordnete aufschiebende Wirkung belässt (vgl. insoweit LSG Bayern 28.3.2007 - L 12 B 835/06 KA ER, GesR 2007, 410), jedoch bei nur deklaratorisch-feststellenden Verwaltungsakten ein Rechtsschutzbedürfnis für die gerichtliche Feststellung der aufschiebenden Wirkung dieser Rechtbehelfe ablehnt, wenn und weil damit das im Eilverfahren verfolgte Ziel einer Verbesserung der Rechtsstellung von vornherein nicht erreichbar ist (vgl. insoweit LSG Berlin-Brandenburg 28.11.2007 ...

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