Entscheidungsstichwort (Thema)

Rücknahme. Verfahren. erneute Sachprüfung

 

Leitsatz (amtlich)

Im Rücknahmeverfahren nch § 44 SGB 10 ist eine erneute Sachprüfung durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 VwVfG vorliegen, der als lückenfüllende Maßstabsnorm anzuwenden ist (Anschluss an BSG, Urteil vom 03.04.2001 – B 4 RA 22/00 R; entgegen BSG, Urteil vom 11.11.2003 – B 2 U 32/02 R )

 

Normenkette

SGB X § 44; VwVfG § 51; SGG § 77; ZPO § 580 Nr. 3

 

Verfahrensgang

SG für das Saarland (Gerichtsbescheid vom 06.08.2002)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 05.09.2006; Aktenzeichen B 2 U 24/05 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 06.08.2002 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, ihren Ablehnungsbescheid vom 11.04.1995 zurückzunehmen und dem Kläger Verletztenrente wegen seines Unfalls vom 24.01.1994 zu gewähren.

Der 1963 geborene Kläger erlitt am 24.01.1994 einen Unfall, als er versuchte, auf einer Baustelle in B.… die Mischwelle einer Mörtelspritzmaschine, die unter Strom stand, herauszureißen, um sie zu reinigen. Seitdem leidet er an einer hypoxischen Hirnschädigung.

Nach Beiziehung der Akten der Staatsanwaltschaft B.… lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.04.1995 es ab, den Kläger auf Grund des Ereignisses vom 24.01.1994 zu entschädigen. Zur Begründung wurde ausgeführt, zum Zeitpunkt des Geschehens habe sich der Kläger nach Aussage seiner Arbeitskollegen unter alkoholischer Beeinflussung befunden. Er habe von morgens ca. 6.00 Uhr bis zum Unfallzeitpunkt ca. 10 Flaschen bzw. Dosen Bier getrunken. Dies sei auch durch ein lallendes Sprechen offenkundig geworden. Nach Meinung der Zeugen sei er nicht mehr in der Lage gewesen, seine Arbeit ordnungsgemäß zu verrichten. Trotz der Warnungen seiner Arbeitskollegen, dass die Mörtelmaschine unter Storm gestanden habe, habe er sich an der Maschine zu schaffen gemacht und dabei die Schädigung erlitten. Dass er sich dennoch an der Maschine zu schaffen gemacht habe, sei in so hohem Maße gefährlich, sorglos und vernunftwidrig gewesen, dass darin die eigentlich entscheidende Unfallursache zu sehen sei. Es handele sich hierbei um eine selbstgeschaffene Gefahr, bei der der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall entfallen sei.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.06.1995 zurück. Die dagegen erhobene Klage (S 3 U 116/95) wies das Sozialgericht für das Saarland (SG) nach Beiziehung der Akten der Staatsanwaltschaft B.… sowie der Vernehmung der Zeugen J.…K.… und A.…F.… mit Gerichtsbescheid vom 07.11.1996 ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, ein Arbeitsunfall im Sinne des § 548 Abs. 1 RVO scheide aus, weil der Unfall des Klägers rechtlich allein im Wesentlichen durch den vorangegangenen Alkoholgenuss verursacht worden sei. Auf Grund der Zeugenaussagen von J.…K.… und A.…F.…, wonach der Kläger erheblich getrunken habe und nicht mehr in der Lage gewesen sei, seine Arbeit ordnungsgemäß zu verrichten, und beim Sprechen gelallt habe, sei das Gericht zu der Überzeugung gekommen, dass der Unfall auf Grund alkoholbedingten Fehlverhaltens zustanden gekommen sei.

Die dagegen erhobene Berufung (L 2 U 148/96) nahm der Kläger zurück, nachdem der Berichterstatter des Senats im Erörterungstermin vom 21.05.1997 darauf hingewiesen hatte, dass die Berufung im Hinblick auf die Bekundungen der Zeugen J.…K.… und A.…F.…, wonach der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls unter erheblichem Alkoholeinfluss gestanden habe und insbesondere den Warnungen der beiden Zeugen, die unter Strom stehende Mörtelspritzmaschine nicht zu berühren, nicht gefolgt sei, keine Erfolgsaussicht habe.

Am 23.08.2001 beantragte der Kläger eine Überprüfung nach § 44 SGB X. Es lägen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Zeugenaussagen manipuliert worden seien. Darüberhinaus beständen erhebliche Widersprüche in den Aussagen der Zeugen. Im Termin zur Beweisaufnahme seien die Zeugen nicht kritisch befragt worden. So sei aus den Zeugenaussagen nicht ersichtlich, welche Mengen von Alkohol der Kläger getrunken haben solle. Die Feststellungen in der Ermittlungsakte und die Aussagen der Zeugen seien auch widersprüchlich. Es beständen äußerste Zweifel daran, ob die alkoholische Beeinflussung, die von den Zeugen geschildert worden sei, tatsächlich vorgelegen habe.

Mit Bescheid vom 06.11.2001 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, auch im Rahmen des § 44 SGB X sei der Versicherungsträger nicht schlechthin in jedem Fall zur Überprüfung seiner früheren Entscheidung verpflichtet, sondern nur dann, wenn sich aus dem Vorbringen des Betroffenen oder aus sonstigen Gründen ergebe, dass die Entscheidung unrichtig sei. Dies sei vorliegend aber nicht der Fall. Die eingehende Überprüfung der bereits vorliegenden Unterlagen habe keinerlei Hinweise ergeben, da...

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