Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattungsanspruch. Differenzbetrag der Leistungen aus der Pflegeversicherung zwischen Stufe II und III. Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Bereits bestehende Pflegebedürftigkeit. Hilflosigkeit. Kausalität. Risiko einer Verschlimmerung der Pflegesituation

 

Leitsatz (amtlich)

In einem Erstattungsverfahren nach § 105 SGB X hat die Pflegekasse keinen Anspruch gegen die Unfallversicherung auf Erstattung des Differenzbetrages zweier Pflegestufen, wenn die bei einem Arbeitsunfall verletzte Person schon vor dem Unfall hilflos bzw. pflegebedürftig war.

 

Normenkette

SGB X § 105; SGB VII § 44 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 15a; SGB IX § 14 Abs. 1; SGB XI §§ 15, 13, 34 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

SG für das Saarland (Gerichtsbescheid vom 02.01.2003)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 10.10.2006; Aktenzeichen B 2 U 41/05 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 02.01.2003 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klägerin die Kosten des Klageverfahrens zu tragen hat.

Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin gegen die Beklagte einen Erstattungsanspruch in Höhe des Differenzbetrages der Leistungen zwischen Pflegestufe III und Pflegestufe II hat, der dadurch entstanden ist, dass die bei der Klägerin versicherte und mittlerweile verstorbene E. B. (künftig: Versicherte) während einer stationären Behandlung einen Oberschenkelhalsbruch erlitt und nach diesem Unfall Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung nach Pflegestufe III erhielt.

Zum Unfallzeitpunkt am 16.9.1998 hielt sich die Versicherte, der von der Klägerin seit 1.6.1998 Pflegeleistungen nach Pflegestufe II gewährt wurden und die erwerbsunfähig war, zu einer stationären Behandlung wegen einer Alzheimer-Erkrankung im Landeskrankenhaus M. auf. Beim Gang über den Stationsflur stolperte sie und zog sich eine Fraktur des Oberschenkelhalses an der linken Hüfte zu. Am 6.10.1998 wurde sie in die häusliche Pflege entlassen. Die Beklagte erkannte durch Schreiben vom 26.1.2000 der Klägerin gegenüber das Ereignis vom 16.9.1998 als Arbeitsunfall an, lehnte aber mit weiterem Schreiben vom 7.4.2000 die Zahlung des von der Klägerin geltend gemachten Unterschiedsbetrags zwischen Pflegestufe II und Pflegestufe III für die Zeit von Oktober 1998 bis Februar 1999 in Höhe von 3.493,91 DM, bestehend aus Sachleistungen und Geldleistungen, ab. Die Versicherte sei bereits vor dem Unfall pflegebedürftig gewesen, was einem Anspruch entgegenstehe.

Nach einem von der Klägerin in Auftrag gegebenen Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 28.2.2001 ist die Verschlechterung des Zustands der Versicherten und die daraus resultierende Höherstufung in Pflegestufe III maßgeblich durch die erlittene Schenkelhalsfraktur bedingt.

Am 3.7.2002 hat die Klägerin Klage erhoben und den Differenzbetrag zwischen den beiden Pflegestufen als Erstattungsanspruch geltend gemacht. Sie vertritt die Ansicht, durch den von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfall sei erst ein messbarer höherer Hilfebedarf entstanden, der dazu geführt habe, dass die Voraussetzungen der Pflegestufe III erfüllt gewesen seien. Auch bei einer vorbestehenden Pflegebedürftigkeit habe die Beklagte bezüglich des Anteils der Verschlimmerung Pflegeleistungen nach § 44 SGB VII zu erbringen.

Demgegenüber vertrat die Beklagte die Ansicht, die Versicherte sei bereits vor dem Unfall so hilflos gewesen, dass sie in erheblichem Umfang der Hilfe bedurft hätte. Die Pflegebedürftigkeit sei durch den Versicherungsfall nicht verursacht worden. § 44 SGB VII greife folglich nicht ein. Selbst wenn die Ansicht der Klägerin zuträfe, könne die Versicherte keinen Anspruch auf Pflegeleistungen haben, weil die Unfallfolgen für den gesamten Zustand der Hilflosigkeit der Versicherten nach dem Unfall keine annähernd gleichwertige Mitursache darstelle. Bereits mit Gutachten vom 6.8.1998 sei ein tatsächlicher Pflegebedarf von 128 Minuten im Bereich der Grundpflege ermittelt worden und die Erkrankung der Klägerin (Alzheimer) sei rasch progredient gewesen. Von Januar bis August 1998 habe sich der Pflegebedarf bereits ohne den Unfall von 71 auf 128 Minuten erheblich erhöht. Schließlich seien die Stufen der Pflegebedürftigkeit des SGB XI in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht anwendbar.

Durch Gerichtsbescheid vom 2.1.2003 hat das Sozialgericht für das Saarland (SG) die Klage abgewiesen. Die Beklagte sei nach § 44 SGB VII nicht leistungspflichtig gewesen, weil die Versicherte bereits vor dem Ereignis pflegebedürftig gewesen sei. Eine wesentliche Teilursache durch den Unfall habe damit nicht vorgelegen, ebenso nicht ein Fall des unfallunabhängigen Nachschadens. Anderen Ansichten in der Literatur könne sich das SG nicht anschließen, weil diesen der Wortlaut des § 44 SGB VII entgegenstehe. Diese Norm setze Kausalität zwischen Pflegebedürftigkeit und Unfall vorau...

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