Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufskrankheit. Tatbestandsmerkmal. Unterlassen der gefährdenden Tätigkeit. mehrere Berufskrankheiten. Gesamt-MdE

 

Leitsatz (amtlich)

1. Aufgabe der gefährdenden Tätigkeiten bei den Berufskrankheiten der Nr 2108 - 2110 setzt das Unterlassen aller möglicherweise gefährdenden Tätigkeiten, nicht nur der kausalen, voraus.

2. Liegen die Voraussetzungen der BK Nr 2108 und 2110 vor, kann es zulässig sein, nur eine Rente nach einer Gesamt-MdE zu gewähren.

 

Orientierungssatz

Der Versicherungsfall Berufskrankheit tritt (vgl BSG vom 27.7.1989 - 2 RU 54/88 = SozR 2200 § 551 Nr 35) ein, wenn sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 551 Abs 1 Satz 2 RVO iVm einer in der Anlage I zur BKVO aufgeführten Krankheit erfüllt sind. Demzufolge ist die Berufung auf die Ausschlussklausel des Artikel 2 Abs 2 der 2. ÄndVO zur BKVO nur möglich, wenn alle Tatbestandsmerkmale der Berufskrankheiten Nrn 2108 und 2109 bereits vor dem 1.4.1988 erfüllt waren.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob dem Kläger Ansprüche auf Verletztenrente wegen Berufskrankheiten im Sinne der Nrn 2108, 2109 und 2110 der Anlage l zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) -- bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule (HWS) und der Lendenwirbelsäule (LWS) -- zustehen.

Der am geborene Kläger erlernte in der Zeit vom 1. April 1952 bis 31. März 1955 den Beruf des Maurers und war bis 30. Mai 1962 in verschiedenen Betrieben als Maurer tätig. Anschließend nahm er am 4. Juli 1962 eine Tätigkeit als LKW-Fahrer mit Be- und Entladetätigkeit im Baustoffhandel auf, zunächst bis zum 18. Juni 1966 bei der Firma E Sch ab dem 20. Juni 1966 bei der Firma K Seit 1979 war der Kläger als Gabelstaplerfahrer auf dem Betriebshof der Firma K eingesetzt. Ab 1. August 1995 war der Kläger dauernd arbeitsunfähig wegen der bei ihm bestehenden HWS- und I WS-Syndrome sowie einer Lumbagoischialgie rechts. Die Landesversicherungsanstalt Berlin gewährte ihm mit Bescheid vom 7. Mai 1996 rückwirkend ab 1. September 1995 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Das Versorgungsamt B stellte durch bestandskräftigen Bescheid vom 18. Mai 1995 beim Kläger einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 wegen folgender Funktionsbeeinträchtigungen fest:

a) Fehlhaltung und degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen, Funktionsbehinderung und vertebragenem Schwindel,

b) Depressives Erschöpfungssyndrom,

c) Stoffwechselstörung, Schilddrüsenleiden,

intern waren den Leiden als Einzel-GdB ein Wert von 40 bei a), von 20 bei b) und 10 bei c) zugeordnet worden.

Im Dezember 1994 ging bei der Beklagten eine Berufskrankheiten-Anzeige der den Kläger behandelnden Ärztin für Neurologie und Psychiatrie P ein. Beigefügt waren ein Kernspintomografiebefund der Praxis Dres. med. K und W vom 8. Dezember 1994 sowie ein Röntgenbefund der LWS der Röntgenpraxis Dr. med. B vom 20. Juli 1992. In seiner Auskunft zur beruflichen Belastung und zur Krankheitsentwicklung vom 5. Februar 1995 machte der Kläger geltend, er leide seit 1981 an LWS- und seit ca. Mai 1990 vermehrt an HWS-Beschwerden. Dies führe er vor allem auf das Tragen von schweren Lasten auf der Schulter und vor der Brust bei Be- und Entladung von LKW's und Eisenbahnwagen zurück. Die Beklagte befragte die Firma K zur Belastung des Klägers, holte Stellungnahmen ihres technischen Aufsichtsdienstes (TAD) vom 4. Mai 1995 sowie des Gewerbearztes Dr. W vom Landesinstitut für Arbeitsmedizin vom 14. August 1995 ein und zog sozialmedizinische Gutachten der Nervenärztin Dr. R vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen -- MDK -- vom 18. November 1995 zur andauernden Arbeitsunfähigkeit des Klägers bei.

Mit Bescheid vom 1. Februar 1996 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Entschädigung aus Anlass der Wirbelsäulenerkrankung des Klägers mit der Begründung ab, es liege keine Berufskrankheit (BK) vor noch bestehe bzw. habe die konkrete Gefahr des Entstehens einer Berufskrankheit bestanden. So sei nach dem Ergebnis der Ermittlungen des technischen Aufsichtsdienstes lediglich die Tätigkeit als LKW-Fahrer von 1966 bis 1978 mit regelmäßigem Heben und Tragen von schweren Lasten verbunden und somit wirbelsäulenschädigend im Sinne der BK 2108 gewesen. Die Tätigkeit als Gabelstaplerfahrer sei nur in der Zeit von 1979 bis ca. 1983, bedingt auch durch die schlechte Hoffläche, als wirbelsäulenschädigend im Sinne der BK 2110 anzusehen. Zwar würden seit 1979 immer noch schwere Lasten bewegt, jedoch nicht mehr mit der erforderlichen Häufigkeit und nicht mehr in einem erheblichen Teil der täglichen Arbeitszeit. Ab 1983 sei der Kläger keinen wirbelsäulenschädigenden Vibrationen mehr ausgesetzt gewesen. Da die jeweils schädigende Tätigkeit bereits vor dem nach der 2. Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten -- Verordnung vom 18.12.1992, in Kraft getreten am 01.01.1993, maßgeblichen Stichtag 31. März 1988 aufgegeben worden sei, liege der Eintritt des Versicherungsfalls auf jeden Fall vor dem 1. April 1988. Danach sei die Gewährung von Entschädigungsleistungen wegen Ber...

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