Entscheidungsstichwort (Thema)

Geschiedenenwitwenrente. Ermittlung des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs bei Doppelverdienerehe

 

Orientierungssatz

1. Haben sich zum Zeitpunkt der Ehescheidung die voraussehbare Einkommensentwicklung und die seitdem eingetretenen Änderungen im wesentlichen der allgemeinen Entwicklung entsprochen und spiegelt somit das spätere Einkommen noch das eheliche Lebensniveau wider, bedarf es im Hinblick auf die sich entsprechenden Lebensverhältnisse nicht der Projektion der ehelichen Lebensverhältnisse zum Zeitpunkt der Scheidung auf den Zeitpunkt der Geltendmachung bzw Entstehung des Anspruchs (hier: auf den wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tode des Versicherten) (vgl BSG vom 13.8.1981 - 11 RA 48/80 = SozR 2200 § 1265 Nr 56 und BSG vom 29.4.1997 - 4 RA 38/96 = BSGE ... = SozR 3-2200 § 1265 Nr 16)

2. Bei Doppelverdienern entspricht die Halbteilung zur Bestimmung des nach den ehelichen Lebensverhältnissen angemessenen Lebensunterhalts dem Grundsatz, daß beide (geschiedene) Ehegatten in gleicher Weise am ehelichen Lebensstandard teilnehmen und mithin jedem die Hälfte des verteilungsfähigen Einkommens zuzubilligen ist (vgl BSG vom 29.4.1997 - 4 RA 38/96 aaO).

3. Art 3 Abs 2 GG gebietet eine Quotelung, die nicht an Frauen benachteiligende Kriterien anknüpft.

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung einer Hinterbliebenenrente an die Klägerin als geschiedene Ehefrau des verstorbenen Versicherten R M (nachfolgend: Versicherter).

Die 1928 geborene Klägerin war seit dem 21. Oktober 1950 mit dem am 14. Juli 1926 geborenen und im September 1991 verstorbenen Versicherten verheiratet. Aus der Ehe sind keine Kinder hervorgegangen. Die Ehe der Klägerin und des Versicherten wurde mit rechtskräftigem Urteil vom 13. November 1972 aus dem Alleinverschulden des Versicherten geschieden (Landgericht Berlin - 34 R 629/72 -).

Zum Zeitpunkt der Scheidung waren sowohl der Versicherte als auch die Klägerin berufstätig. Für den Versicherten wurden nach dem letzten Versicherungsverlauf der Beklagten vom 5. September 1991 im Jahre 1971 Pflichtbeiträge für die Tätigkeit als Wachpolizist für ein Entgelt von 18.071,00 DM, 1972 für ein Entgelt von 18.618,00 DM und für 1973 von 20.334,00 DM entrichtet. Für die Klägerin wurden nach dem Kontospiegel der Beklagten vom 19. Dezember 1996 für die Tätigkeit als Personalsachbearbeiterin in der Hotelbranche im Jahre 1971 Pflichtbeiträge für ein Entgelt von 13.488,00 DM, für 1972 von 17.436,00 DM und 1973 von 18.845,00 DM entrichtet. Beide Ehegatten haben nicht wieder geheiratet. Der Versicherte bezog seit dem 1. März 1986 von der Beklagten eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die zuletzt vom 1. Juli 1990 bis 30. Juni 1991 monatlich 1.894,19 DM und ab 1. Juli 1991 monatlich 1.989,56 DM netto betrug und mit Bescheid vom 5. September 1991 ab 1. August 1991 als Altersruhegeld mit monatlich 2.000,92 DM netto festgestellt wurde. Daneben erhielt der Versicherte eine Zusatzversorgungsrente der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) in Höhe von 521,04 DM für die Zeit vom 1. März bis 31. Juli 1991, für August 1991 erhielt er 450,00 DM als Vorschuß; die erforderliche Neuberechnung wurde von der VBL nicht mehr durchgeführt, da nach dem Tod des Versicherten Bezugsberechtigte nicht vorhanden waren.

Der Auszahlungsbetrag des Altersruhegeldes der Klägerin betrug vom 1. Juli 1990 bis 30. Juni 1991 monatlich 1.699,87 DM und ab 1. Juli 1991 monatlich 1.785,51 DM. Sonstige Einkünfte hat die Klägerin nicht angegeben. Der Versicherte habe ihr zur Zeit seines Todes weder Unterhalt zu leisten gehabt noch habe er Unterhalt gezahlt.

Mit Bescheid vom 4. Mai 1992 hat die Beklagte den Antrag auf Zahlung einer Hinterbliebenenrente vom 30. September 1991 gemäß § 42 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) aus der Versicherung des Verstorbenen abgelehnt. Die nach dem Scheidungsurteil (rechtskräftig seit dem 13. November 1991) festgestellte Alleinschuld des Versicherten genüge für das Bestehen eines Unterhaltsanspruchs im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand nicht. Nach den Vorschriften des Ehegesetzes (§§ 48, 59 des Ehegesetzes in der Fassung vor dem 1. Juli 1977) habe der allein oder überwiegend schuldig erklärte Mann der geschiedenen Frau den nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt zu gewähren, soweit die Einkünfte aus dem Vermögen der Frau und die Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit nicht ausreichten. Danach müsse sowohl Unterhaltsfähigkeit auf seiten des Mannes als auch Unterhaltsbedürftigkeit auf seiten der Frau vorliegen. Die Höhe ihres eigenen Einkommens schließe eine Bedürftigkeit im Sinne des Ehegesetzes aus. Der aus der Differenz der Einkommen zu ermittelnde Betrag geteilt durch 3 ergebe allenfalls einen Anspruch auf Zahlung von 68,00 DM monatlich. Dieser Betrag erreiche jedoch nicht ein Viertel des nach § 22 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) für Berlin geltenden Eheregelsatzes von 483,00 DM (gültig ab Juli 1991), so daß dieser Betrag nicht als wesentlich für d...

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