Entscheidungsstichwort (Thema)

sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Überprüfungsverfahren. Aufgabe oder Änderung höchstrichterlicher Rechtsprechung. BSG-Rechtsprechung. Wegeunfall. Abweg

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Aufgabe oder Änderung einer höchstrichterlichen Rechtsprechung kann zu einer Überprüfung bzw Neufeststellung nach §§ 44, 48 SGB 10 führen. Dies setzt aber voraus, dass das betreffende oberste Bundesgericht seine bisherige Rechtsprechung ausdrücklich aufgibt bzw ändert.

2. Das BSG hat keine Änderung bzw Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung zum Abweg bei Wegeunfällen vorgenommen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten in einem Überprüfungsverfahren darüber, ob die Beklagte ihre bestandskräftigen Ablehnungsbescheide aufzuheben und der Klägerin wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls Verletztenrente zu gewähren hat.

Die am ... geborene Klägerin war auch im hier streitbefangenem Zeitraum (Februar 1993) an ihrer jetzigen Wohnanschrift ... wohnhaft, sie war in einem Unternehmen N Ring ... in B beschäftigt. Am 15. Februar 1993 trat sie von dort aus ihren Heimweg gegen 17.25 Uhr mit ihrem Pkw an. Wie üblich fuhr sie, um dem zu dieser Zeit auf dem N Damm bestehenden Stau zu entgehen, von der M Straße über die Z Straße, Sstraße, A-straße, Bstraße und M Allee zur H Straße. Sie unterbrach ihre Fahrt auf der M Allee, parkte ihr Fahrzeug am rechten Fahrbahnrand nahe der Einmündung Hstraße und begab sich in einen auf der gegenüberliegenden Straßenseite gelegenen Supermarkt, um dort Lebensmittel einzukaufen. Nach dem Einkauf überquerte sie auf ihrem Rückweg zum geparkten Pkw erneut die Fahrbahn der M Allee, wurde von einem Pkw erfasst und erlitt dabei Verletzungen.

Mit Bescheid vom 28. Dezember 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 1994 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung mit der Begründung ab, im Zeitpunkt des Unfalleintritts habe die Klägerin nicht unter Unfallversicherungsschutz gestanden. Sie habe sich auf einem Umweg befunden, den sie aus eigenwirtschaftlichen Gründen unternommen habe.

Die hiergegen erhobene Klage wies das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 7. November 1994 (S 69 U 353/94) mit der Begründung ab, die Klägerin habe zum Zeitpunkt des Unfalleintritts nicht unter Versicherungsschutz gestanden, weil eine Unterbrechung des an sich versicherten Heimweges vorgelegen habe. Die hiergegen von der Klägerin erhobene Berufung wies das Landessozialgericht Berlin durch Urteil vom 21. September 1995 (L 3 U 1/95) zurück.

Im Februar 1997 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Rücknahme der Ablehnungsbescheide und die Gewährung von Verletztenrente mit der Begründung, das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 21. September 1995 sei im Hinblick auf die zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -- BSG --, wie sie in dessen Urteil vom 2. Juli 1996 zum Ausdruck komme, materiell unzutreffend. Mit Bescheid vom 28. Mai 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 1997 lehnte die Beklagte diesen Antrag mit der Begründung ab, der Bescheid vom 28. Dezember 1993 sei rechtsfehlerfrei ergangen.

Die hiergegen am 25. August 1997 bei dem Sozialgericht Berlin erhobene Klage hat das Sozialgericht durch Urteil vom 23. März 1998 mit der Begründung abgewiesen, eine nachträgliche Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung liege nicht vor und lasse sich insbesondere nicht aus dem von der Klägerin herangezogenen Urteil des BSG vom 2. Juli 1996 -- 2 RU 16/95 -- herleiten.

Gegen dieses ihr am 5. Mai 1998 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22. Mai 1998 Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin eingelegt. Sie meint, auf Grund der geänderten Rechtsprechung des BSG zum Recht der Wegeunfälle erwiesen sich die Ablehnungsbescheide aus dem Jahre 1993 und 1994 sowie das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 21. September 1995 als rechtlich unzutreffend.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. März 1998 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28. Mai 1997 sowie des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 1997 zu verpflichten, der Klägerin unter Rücknahme des Bescheides vom 28. Dezember 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 1994 aus Anlass des Unfalles vom 15. Februar 1993 Verletztenteilrente in Höhe von 20 vom Hundert der Vollrente ab 15. November 1993 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsakten der Beklagten, welche im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegte Berufung ist zulässig (vgl. § 143 SGG), in der Sache jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewie...

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