Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung überzahlter Geldleistung durch Dritten nach Tod des Berechtigten. Leistungsklage. Rechtsschutzbedürfnis. Rücküberweisungspflicht des Geldinstituts. Entreicherungseinwand. objektive Beweislast. sozialgerichtliches Verfahren

 

Orientierungssatz

1. Die Nichterweislichkeit der den Erstattungsanspruch nach § 118 Abs 4 SGB 6 idF vom 19.2.2002 begründenden Tatsachen geht nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast, der auch im sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung findet und wonach derjenige die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen, zu Lasten des Rentenversicherungsträgers.

2. Das Rechtsschutzbedürfnis als allgemeine Prozessvoraussetzung, die in jedem Stand des Verfahrens zu beachten ist, besteht für Klagen, mit denen der Rentenversicherungsträger einen Erstattungsanspruch gegen denjenigen geltend macht, der die Geldleistung als Ergebnis einer wirksamen Verfügung zu Lasten des Kontos des verstorbenen Rentenbeziehers in Empfang genommen oder über den entsprechenden Betrag verfügt hat (§ 118 Abs 4 S 1 SGB 6 idF vom 19.2.2002), nur und erst dann, wenn feststeht, dass ein Erstattungsanspruch in der entsprechenden Höhe gegen das Geldinstitut nicht mit Erfolg geltend gemacht werden kann (vgl BSG vom 4.8.1998 - B 4 RA 72/97 R = BSGE 82, 239 = SozR 3-2600 § 118 Nr 3, vom 20.12.2001 - B 4 RA 53/01 R = SozR 3-2600 § 118 Nr 9, vom 9.4.2002 - B 4 RA 64/01 R = SozR 3-2600 § 118 Nr 10, sowie BSG vom 14.11.2002 - B 13 RJ 7/02 R). Erst wenn das Geldinstitut begründet den anspruchsvernichtenden Einwand der Entreicherung dem Rentenversicherungsträger entgegenhalten kann (§ 118 Abs 3 S 3 und 4 SGB 6), kommt der - weitere - Erstattungsanspruch nach § 118 Abs 4 S 1 Regelungen 1 und 2 SGB 6 idF vom 19.2.2002 überhaupt in Betracht.

3. Der Entreicherungseinwand des Geldinstituts greift nur dann durch, wenn es ausschließlich auf den - im Verhältnis zum Geldinstitut rechtswirksamen - Verfügungen Dritter beruht, das bei Eingang der Rückforderung des Rentenversicherungsträgers das in der Überweisung genannte Konto ein zur (vollen oder teilweisen) Erstattung ausreichendes Guthaben nicht aufweist. Liegt dies aber daran, dass das Geldinstitut selbst - in welcher Rechtsform und durch welche Rechtshandlung auch immer - den entsprechenden Betrag aus dem Konto wieder in sein Vermögen zurückgeführt hatte, wie zB bei Gutschriften auf einem durchgehend im Minus befindlichen Konto, kommt es auf Verfügungen Dritter schlechthin nicht mehr an (so BSG vom 4.8.1998 - B 4 RA 72/97 R aaO, vom 20.12.2001 - B 4 RA 53/01 R aaO, vom 9.4.2002 - B 4 RA 64/01 R aaO, vom 25.1.2001 - B 4 RA 64/99 R = SozR 3-1500 § 54 Nr 45 = SozR 3-2600 § 118 Nr 7, vom 11.12.2002 - B 5 RJ 42/01 R = SozR 3-2600 § 118 Nr 11; Abweichung von BSG vom 9.12.1998 - B 9 V 48/97 R = BSGE 83, 176 = SozR 3-2600 § 118 Nr 4).

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte der Klägerin einen Betrag von 1.100,00 DM (562,42 Euro) zu erstatten hat, der ihm am Tag vor dem Tode der Rentnerin C M (Versicherte) von deren Girokonto bei der P-bank (der Beigeladenen) zugeflossen war.

Der 1978 geborene Beklagte ist der Sohn der Versicherten aus ihrer Ehe mit M M (Vater des Beklagten). Der von der Versicherten getrennt lebende Vater des Beklagten überwies monatlich - per Dauerauftrag - einen Betrag von 1.330,00 DM als Unterhaltsleistung auf das Girokonto der Versicherten bei der Beigeladenen, wovon 830,00 DM als Unterhalt für den mit der Versicherten in einer gemeinsamen Wohnung lebenden Beklagten bestimmt waren. Die an Multipler Sklerose erkrankte Versicherte bezog von der Beklagten eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU-Rente) mit einem Zahlbetrag von zuletzt monatlich 1.353,39 DM (691,98 Euro) netto. In dieser Höhe wurde die Rente für den Monat August 1999 am 29. Juli 1999 auf ihrem Girokonto bei der Beigeladenen gutgeschrieben. Der Beklagte, dem eine Kontovollmacht erteilt war, tätigte eine Überweisung von diesem Konto in Höhe von 1.100,- DM zu Gunsten seines eigenen Girokontos, die ebenfalls am 29. Juli 1999 verbucht wurde. Im Einzelnen ergeben sich nach den vom Beklagten in Kopie vorgelegten Kontoauszügen für den 29. Juli 1999 folgende Bestände und Buchungen für das Girokonto der Versicherten:

Alter Kontostand

4.529,90 DM (-),

Überweisung an den Beklagten

1.100,00 DM (-),

Gutschrift der VBL-Rente

44,28 DM (+),

Gutschrift Unterhaltsleistung des Vaters

1.330,00 DM (+),

Gutschrift EU-Rente der Klägerin

1.353,39 DM (+),

Neuer Kontostand

2.902,23 DM (-).

Mit am 10. August 1999 bei der Klägerin eingegangenem Schreiben teilte der sich im Hochschulstudien befindende Beklagte unter Vorlage einer Sterbeurkunde mit, dass die Versicherte am 30. Juli 1999 verstorben sei, und beantragte Waisenrente. Die Klägerin gewährte diesem ab August 1999 Halbwaisenrente und dessen Vater antragsgemäß Witwerrente, die jedoch ab Dezember 1999 nicht mehr zur Auszahlung gelangte. Für das Sterbevierteljahr zahlte sie zunächst 2.7...

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