Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Klageschrift. Angabe einer Postfachadresse anstelle einer Wohnanschrift. Wohnsitz im Ausland (hier: Kenia). Verrechnung einer Beitragsforderung mit laufendem Leistungsanspruch. Nachweis der Hilfebedürftigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Der Zulässigkeit der Klage steht die mangelnde Angabe einer Anschrift nicht entgegen, wenn der Postverkehr im Ausland mangels Anschrift über Postfächer abgewickelt wird.

 

Orientierungssatz

1. Die Vorschriften über die Auf- und Verrechnung nach §§ 51, 52 SGB 1 finden auch auf Leistungsempfänger im Ausland Anwendung. Bei Leistungsberechtigten mit Auslandswohnsitz richtet sich die Frage der Hilfebedürftigkeit nach den am Wohnort geltenden Sozialhilfevorschriften (vgl BSG vom 12.4.1995 - 5 RJ 12/94 = SozR 3-1200 § 51 Nr 4).

2. Der von § 51 Abs 2 SGB 1 geforderte Nachweis der Hilfebedürftigkeit ist durch den Leistungsberechtigten zu erbringen. Die schlichte Erklärung des Leistungsberechtigten über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse ist dabei für die Beweisführung nicht ausreichend.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 6. September 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig zwischen den Beteiligten ist eine von der Beklagten durchgeführte Verrechnung der Altersrente mit Krankenversicherungsbeiträgen des Klägers.

Der im Jahr 1934 geborene Kläger bezieht seit dem 1. Mai 2008 eine ihm mit Bescheid vom 24. Juni 2008 zuerkannte Regelaltersrente mit einem monatlichen Zahlbetrag von 676,06 Euro.

Er teilte der Beklagten mit Schreiben vom 20. Mai 2008 mit, dass er am 26. Juni 2008 seinen Wohnsitz in Deutschland aufgeben und nach Mombasa/Kenia auswandern werde. Im Folgenden übersandte er die Kopie eines Tickets für einen Hinflug am 4. Juli 2008 von Düsseldorf nach Mombasa.

Mit Bescheid vom 1. Juli 2008 erkannte die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf Rente mit einem monatlichen Zahlbetrag von 676,07 Euro für die Dauer des gewöhnlichen Auslandsaufenthaltes an.

In seiner nachfolgenden Korrespondenz mit der Beklagten benannte der Kläger keine postalische Anschrift in Kenia, sondern eine kenianische Postfachadresse.

Mit Schreiben vom 5. Mai 2010 stellte die AOK bei der Beklagten ein Verrechnungsersuchen nach §§ 51 Abs. 2, 52 Erstes Sozialgesetzbuch (SGB I) in Höhe von insgesamt 1.435,49 Euro. Der Kläger schulde ihr noch für den Zeitraum vom 3. Januar 2008 bis 28. Februar 2008 Gesamtsozialversicherungsbeiträge inklusive Umlagebeiträge über 1.222,54 Euro für einen bei ihm beschäftigt gewesenen Arbeitnehmer. Weiterhin fielen Säumniszuschläge bis 28. Mai 2008 über 90,00 Euro sowie Kosten und Gebühren über 122,95 Euro an. Die Forderung sei fällig, vollstreckbar und nicht verjährt.

Zu dieser Verrechnungsermächtigung hörte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 26. Mai 2010 an. Sie beabsichtige, für die Verrechnung von der laufenden Rente des Klägers monatlich 250 Euro einzubehalten.

Der Kläger teilte daraufhin mit am 30. Juli 2010 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben mit, er sei völlig mittellos und hilfebedürftig. Auf den beabsichtigten Einbehalt von seiner Rente in Höhe von 250 Euro könne er nicht verzichten.

Mit Bescheid vom 24. August 2010 nahm die Beklagte die Verrechnung der durch den Kläger gegenüber der AOK geschuldeten Beiträge von 1.435,49 Euro ab dem 1. Dezember 2010 in Höhe von monatlich 150 Euro vor. Durch die Aufrechnung trete bei dem Kläger keine Hilfebedürftigkeit nach den Vorschriften des Zwölften Sozialgesetzbuches (SGB XII) oder Zweiten Sozialgesetzbuches (SGB II) ein. Nach eingehender Prüfung werde die Verrechnung für angemessen erachtet. Die Einwände des Klägers könnten nur zum Teil im Sinne einer Verringerung des zur Verrechnung gestellten Betrages berücksichtigt werden. Der Eintritt von Hilfebedürftigkeit sei durch ihn im Anhörungsverfahren nicht nachgewiesen worden.

Hiergegen legte der Kläger mit am 3. November 2010 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben Widerspruch ein. Aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes könne er nicht einmal 20 Euro monatlich aufbringen. Er müsse ständig Medikamente bezahlen und sei daher finanziell stark belastet. Eidesstattlich versichere er, keinerlei Vermögenswerte zu besitzen.

Ein zwischenzeitlicher Versuch der AOK ihre Forderung aus der Versteigerung einer in Deutschland belegenen Eigentumswohnung des Klägers zu befriedigen, blieb erfolglos.

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 11. November 2011 zurück. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass er durch die Verrechnung sozialhilfebedürftig würde.

Hiergegen erhob der Kläger am 12. Januar 2012 unter Angabe einer kenianischen Postfachadresse Klage vor dem Sozialgericht Berlin. Er sei völlig mittellos und - auch für den Kauf dringend benötigter Medikamente - auf seine Rente angewiesen.

Mit Eingangsverfügung vom 16. Januar 2012 forderte das Sozialgericht ...

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