Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Anwendung von Verfahrensvorschriften. Erstattung vorläufig bewilligter Leistungen nach § 328 Abs 3 S 2 SGB 3. fehlende Anwendbarkeit des § 40 Abs 2 S 1 SGB 2 aF. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. § 40 Abs 2 S 1 SGB 2 aF ist nicht analog auf die Erstattung vorläufig bewilligter Leistungen nach § 40 Abs 1 S 2 Nr 1a SGB 2 aF iVm § 328 Abs 3 S 2 SGB 3 anzuwenden. Eine planwidrige Regelungslücke besteht nicht, da der von einer endgültigen Ablehnung eines Antrags auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB 2 betroffene Begünstigte einer vorläufigen Leistungsbewilligung gem § 25 Abs 3 S 1 iVm § 7 Abs 1 S 1 Nr 1 WoGG nachträglich Wohngeld beantragen kann.

2. Dem von einer Rückforderung nach § 328 Abs 3 S 2 SGB 3 betroffenen Leistungsempfänger verbleibt subsidiär die Möglichkeit, die Erstattungsforderung durch Stellung eines Erlassantrages nach § 44 SGB 2 ganz oder teilweise zu Fall zu bringen (vgl SG Berlin vom 26.11.2010 - S 37 AS 12517/10).

3. Die unterschiedliche gesetzestechnische Behandlung von Erstattungsansprüchen nach § 50 SGB 10 einerseits und von Erstattungsansprüchen nach § 328 Abs 3 S 2 SGB 3 andererseits in § 40 Abs 2 S 1 SGB 2 aF verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 GG.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 23.08.2012; Aktenzeichen B 4 AS 169/11 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Oktober 2010 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin ein Viertel der außergerichtlichen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit vorläufigem Bewilligungsbescheid vom 5. Dezember 2008 bewilligte der Beklagte der 1986 geborenen und allein lebenden Klägerin Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis 30. Juni 2009 iHv 73,49 € monatlich. Die Vorläufigkeit der Entscheidung begründete der Beklagte mit dem noch nicht feststehendem Einkommen auf Grund einer Beschäftigung bei der A W e.K als Produktionshelferin. Für die Berechnung der Leistungshöhe schätzte der Beklagte das monatliche Einkommen der Klägerin auf netto 774,70 € und ermittelte einen Gesamtbedarf von 572,24 € (351,- € Regelleistung, 221,24 € Unterkunft und Heizung [Kaltmiete 136,37 plus Nebenkosten 58,50 € plus Heizkosten 33,- € minus 6,63 € Warmwasserpauschale]). Mit Änderungsbescheid vom 17. Dezember 2008 bewilligte der Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 1. Februar 2009 bis 30. Juni 2009 (ohne Vorläufigkeitsvorbehalt) Leistungen nach dem SGB II iHv monatlich 572,24 €.

Nachdem die Klägerin am 9. April 2009 ihre Lohnabrechnung vom 16. Januar 2009, mit der ihr für Dezember 2008 ein Einkommen iHv 1.593,72 € brutto bzw. 1.246,22 € netto bescheinigt und nach Anrechnung eines Vorschusses iHv 300,- € ein Betrag iHv 946,22 € per Scheck ausgezahlt worden war, bei dem Beklagten eingereicht hatte, bewilligte dieser mit einem Änderungsbescheid vom 21. August 2009 der Klägerin Leistungen iHv jeweils “0,- €„ für Januar 2009 und April 2009, von 572,24 € für Februar 2009 und von 110,46 € für März 2009. Mit einem weiteren Bescheid vom 21. August 2009 setzte der Beklagte den Leistungsanspruch der Klägerin unter anderem für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis 30. April 2009 unter Bezugnahme auf den Änderungsbescheid endgültig fest und forderte die Klägerin zur Erstattung von 73,49 € für Januar 2009, von 461,78 € für März 2009 sowie von jeweils 251,- € für März und April 2009 auf. Auf den Widerspruch der Klägerin setzte der Beklagte mit Bescheid vom 13. April 2009 den Erstattungsbetrag für Januar 2009 erneut auf 73,49 € fest. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 9. November 2009 hob der Beklagte u.a. die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für April 2009 ganz auf und forderte Leistungen iHv 572,24 € zurück. Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Januar 2010 wies der Beklagte u.a. den Widerspruch gegen den Bescheid vom 13. Oktober 2009 als unzulässig und die Widersprüche gegen den Erstattungsbescheid vom 21. August 2009 sowie den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 9. November 2009 als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt: Auf den Gesamtbedarf der Klägerin von 572,24 € für Januar 2009 sei aufgrund des ihr im Januar 2009 in Höhe von 946,22 € zugeflossenen Einkommens für Dezember 2008 von brutto 1.593,72 € ein Betrag in Höhe von 966,22 € als Einkommen anzurechnen. Ferner habe die Klägerin Arbeitslosengeld (Alg) iHv 451,80 € bezogen. Da das Einkommen den Bedarf überstiegen habe, habe kein Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung bestanden.

Mit der Klage hat sich die Klägerin zunächst gegen die Erstattung des Betrages iHv von 73,49 € für Januar 2009 und gegen eine den Betrag iHv 97,35 € übersteigende Erstattungsforderung für April 2009 gewandt. Sie hat vorgetragen, die angefochtene Bescheide seien rechtswidrig, weil sie die Regelung des § 4...

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