Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Hilfe in anderen Lebenslagen. Bestattungskosten. "hierzu Verpflichteter" iS des § 74 SGB 12

 

Orientierungssatz

1. Die in § 74 SGB 12 nicht näher umschriebene Verpflichtung kann aus zivilrechtlichen Bestimmungen oder aus der Auftragserteilung in Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Bestattungspflicht nach dem Bestattungsrecht der Länder folgen. Berechtigter ist nur, wen die Kostentragungspflicht notwendig, im Verhältnis zu Dritten endgültig und damit vorrangig trifft (vgl BVerwG vom 13.3.2003 - 5 C 2/02 = Buchholz 436.0 § 15 BSHG Nr 5). Eine empfundene sittliche oder - wie hier - die eingegangene vertragliche Verpflichtung genügt nicht.

2. Ein Hilfebedürftiger kann zum "hierzu Verpflichteten" iS des § 74 SGB 12 allein durch vertragliche Verpflichtung gegenüber dem Bestattungsunternehmen in Erfüllung einer auferlegten öffentlich-rechtlichen Bestattungspflicht nach § 20 des Brandenburgischen Bestattungsgesetzes (juris: BestattG BB) werden.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 08.10.2010; Aktenzeichen B 8 SO 49/10 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 20. November 2008 wird zurückgewiesen. Die Feststellungsklage vom 25. März 2010 wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Verfahren vor dem Landessozialgericht nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens gemäß § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) die Übernahme von Bestattungskosten für die von ihr veranlasste Bestattung ihrer Schwester.

Die 1955 geborene Klägerin ist arbeitslos. Sie ist vermögenslos und lebt mit ihrem geschiedenen Ehemann in Bedarfsgemeinschaft zusammen; beide erhalten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch.

Die Klägerin veranlasste die Bestattung ihrer 1958 geborenen Schwester, die geschieden war und keine Kinder hatte und am 25. Juni 2006 vermögenslos an ihrem Wohnort L (OT R) verstorben ist. Anlässlich der Beisetzung am stellte das Bestattungsunternehmen der Klägerin einen Betrag von 1.915,69 Euro in Rechnung.

Die Klägerin beantragte beim Beklagten als zuständigem örtlichem Sozialhilfeträger die Übernahme dieser Bestattungskosten. Sie gab dazu unter anderem an, dass sie das Erbe ausgeschlagen habe, ihre Mutter verstorben sei und ihr 1926 geborener Vater in N lebe. Der Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin wegen fehlender Erbenstellung (Bescheid vom 13. November 2006, Widerspruchsbescheid vom 02. August 2007) und im Überprüfungsverfahren ergänzend unter Hinweis auf einen ihr zustehenden Kostenerstattungsanspruch gegen ihren Vater ab; sie selbst sei nicht “Verpflichtete„ im Sinne der Bestimmung, wie sich aus dem Brandenburgischen Bestattungsgesetz vom 07. November 2001 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Brandenburg, Teil I, Seite 226) ergebe (Bescheid vom 03. September 2007, Widerspruchsbescheid vom 15. November 2007).

Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 20. November 2007 zugestellten Widerspruchsbescheid hat sich die Klägerin mit ihrer am 20. Dezember 2007 zum Sozialgericht - SG - Neuruppin erhobenen Klage gewandt, mit der sie ihr Begehren auf Übernahme der Bestattungskosten weiterverfolgt und insoweit im Rahmen des § 44 SGB X die Rücknahme des Ablehnungsbescheides beantragt hat. Sie habe einen Bestattungsauftrag in der Annahme und mit dem Versichern der Mitarbeiterin des Bestattungshauses unterzeichnet, zur Zahlung des Betrages nicht verpflichtet zu sein, die Kosten würden vielmehr vom Sozialamt übernommen.

Es sei zwar richtig, dass der Vater, der das Erbe ebenfalls ausgeschlagen habe, vorrangig bestattungsverpflichtet sei, doch sei die Klägerin selbst erstattungsberechtigt im Sinne des § 74 SGB XII. Der ebenfalls bestattungspflichtige Vater sei nicht leistungsfähig.

Sodann hat das SG mit Urteil vom 20. November 2008 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Die Beklagte habe zu Recht mit dem angefochtenen Bescheid eine Korrektur des Bescheides vom 13. November 2006 abgelehnt. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten aus § 74 SGB XII. Sie sei nicht letztendlich Verpflichtete im Sinne des § 74 SGB XII. Sie habe zwar den Werkvertrag nach § 631 Abs. 1 BGB mit dem Bestattungsunternehmen abgeschlossen und sich somit zivilrechtlich verpflichtet, die Kosten zu tragen. Daraus folge jedoch keine Verpflichtung im Sinne der Bestimmung. Anspruchsinhaber gemäß § 74 SGB XII seien in folgender nachrangiger Reihenfolge zuerst der Erbe gemäß § 1968 BGB, nachfolgend und subsidiär der nach bürgerlichem Recht Unterhaltsverpflichtete bei eigener Leistungsfähigkeit (§§ 1615 Abs. 2, 1603 BGB), danach und nachrangig öffentlich-rechtlich Bestattungspflichtige gemäß § 20 des Brandenburgischen Bestattungsgesetzes in der dort festgelegten Reihenfolge. Danach gehöre die Klägerin nicht zu den erstrangig verpflichteten Erben, da sie nachweislich das Erbe ausgeschlagen habe. Vorrangig zur Bestattung verpflichtet sei ...

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