Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsprüfung. Beitragsnachforderung. Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Promoter/Animateur für eine Kindereventagentur. abhängige Beschäftigung. selbständige Tätigkeit. drittbezogener Personaleinsatz. Erfüllungsgehilfe. Eingliederung in fremde Arbeitsorganisation

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird eine vermeintlich selbstständige Tätigkeit im Rahmen weiterer Vertragsbeziehungen zwischen dem Auftraggeber und Dritten erbracht, sind im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens auch diese weiteren Vertragsbeziehungen zu berücksichtigen (Anschluss an BSG vom 4.6.2019 - B 12 R 12/18 R = juris RdNr 14).

2. Wer als Erfüllungsgehilfe eine Dienstleistung für einen Auftraggeber erbringt, die dieser einem Dritten (Kunden) vertraglich als Hauptleistungspflicht schuldet, ist typischerweise in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert. Weisungen und Vorgaben dieser Kunden wirken dann gegenüber Erwerbstätigen, als ob ihr Auftraggeber sie geäußert hätte; von diesen Kunden zur Verfügung gestellte Arbeits- und Betriebsmittel kommt die gleiche Bedeutung zu wie den unmittelbar vom Auftraggeber überlassenen.

 

Orientierungssatz

Freiwillig getätigte Aufwendungen im Zusammenhang mit einer beruflichen Tätigkeit sind für die Statusfrage ohne Bedeutung.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. März 2018 und der Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. März 2016 aufgehoben, soweit die Beklagte Umlagen erhoben hat. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen eine Beitragsnachforderung der Beklagten i.H.v. 7.911,16 €. Streitig ist, ob die Beigeladenen zu 1 bis 8 (im Folgenden: die Beigeladenen) bei der Klägerin beschäftigt bzw. als Arbeitnehmer für sie tätig waren und diese daher Beiträge zu unterschiedlichen Zweigen der Sozialversicherung zahlen musste.

Die Klägerin betreibt unter der Bezeichnung „Das W“ eine Kindereventagentur und bietet in diesem Rahmen - nach ihrer Selbstdarstellung im Internet (https://) - „für jede Art von Veranstaltung verschiedene Kinderprogramme“ an, z.B. „Kinderschminken mit verschiedenen Motiven, Kreativaktionen, Spiele, Ballonmodellage, und Schatzsuche oder Kinderunterhaltung durch verschiedene Künstler - Clown, Zauberer, Stelzenläufer, Walk Acts oder mit einer Bühnenshow“, aber auch Kinderunterhaltung auf Hochzeiten und Firmenveranstaltungen. Sie schloss mit den Beigeladenen zu 1 bis 5 und 8 schriftliche Vereinbarungen („Freier Mitarbeitervertrag“ - FMV) mit u.a. folgendem Inhalt:

§ 1 Tätigkeit

Dem Mitarbeiter werden ab […] die Aufgaben eines Promoters/Animateurs übertragen. Art und Umfang der Tätigkeit eines Promoter/Animateurs ergeben sich je nach Auftragsumfang.

§ 2 Weisungsfreiheit

Der Mitarbeiter ist in der Gestaltung von Arbeitszeiten frei.

Der Mitarbeiter führt die Tätigkeit grundsätzlich außerhalb der Geschäftsräume der Firma aus. Soweit es zur Erfüllung der Aufgaben notwendig ist, können die

Geschäftsräume zu den üblichen Geschäftszeiten durch den freien Mitarbeiter

betreten werden.

Der Mitarbeiter hat gegenüber den Arbeitnehmern des Auftraggebers sowie

gegenüber anderen Mitarbeitern des Auftraggebers keinerlei Weisungsbefugnis.

§ 3 Vergütung

Die Tätigkeit wird nur für die tatsächlich geleisteten Stunden nach Vorlage von

Stundennachweisen auf der Grundlage eines Stundensatzes von _8_EUR [ von 8 € bzw. 15 €] zuzüglich Mehrwertsteuer vergütet. Sofern der Mitarbeiter die MwSt ausweist und er nicht als Kleinunternehmer agiert.

(In Worten: Acht Euro zzgl. MwSt.)

Die Vergütung wird nach der Veranstaltung gegen Vorlage einer Rechnung erteilt, soweit nichts anderes vereinbart ist. Auslagen werden gegen Nachweis erstattet.

§ 4 Arbeitsaufwand/Betriebliche Anwesenheit

Art und Umfang der dem freien Mitarbeiter nach § 1 übertragenen Aufgaben machen einen Zeitaufwand von ca. 10-30 Stunden pro Monat.

§ 5 Arbeitszeit/Konkurrenz/Verschwiegenheit

Im übrigen unterliegt der freie Mitarbeiter in der Ausgestaltung seiner Arbeitszeit

keinen Einschränkungen.

Er darf auch für andere Auftraggeber tätig sein, mit der Ausnahme unmittelbarer

Konkurrenzfirmen. Sollte er bei Konkurrenzfirmen aus der gleichen Branche, zur

selben Zeit in der er bei uns arbeitet, tätig sein und dies verschweigen kommt eine Geldstrafe in Höhe von 1000,00 € auf ihn zu. […]

§ 6 Kündigung […]

§ 7 Sonstiges

Von der Möglichkeit des Abschlusses eines Anstellungsvertrages ist in Anwendung des Grundsatzes der Vertragsfreiheit bewusst kein Gebrauch gemacht worden. Eine Umgehung arbeitsrechtlicher oder arbeitsgesetzlicher Schutzvorschriften ist nicht beabsichtigt. Dem freien Mitarbeiter soll vielmehr die volle Entscheidungsfreiheit bei der Verwertung seiner Arbeitskraft belassen werden. Eine über den Umfang dieser Vereinbarung hinausgehende pers...

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