Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung einer Erziehung des Kindes im Ausland als Kindererziehungszeit

 

Orientierungssatz

1. Nach § 56 Abs. 1 SGB 6 wird eine Erziehungszeit angerechnet, wenn diese dem Elternteil zuzurechnen ist, eine Erziehung im Gebiet der BRD erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist. Eine in Spanien erfolgte Erziehung ist nicht nach § 56 Abs. 3 S. 2 SGB 6 gleichgestellt, wenn während der Zeit der Erziehung keine Beschäftigung ausgeübt wird, deretwegen Pflichtbeiträge zur deutschen Rentenversicherung entrichtet werden. § 56 Abs. 3 S. 2 SGB 6 verlangt ausdrücklich eine Beschäftigung im Ausland. Eine in Deutschland vom Ehegatten ausgeübte Beschäftigung ist zur Anrechnung ungeeignet.

2. Die Rechtsprechung des EuGH verlangt eine hinreichende Verbindung zwischen der geltend gemachten Kindererziehungszeit und dem Rentenversicherungssystem. Diese setzt u. a. eine vorherige Zurücklegung von Versicherungszeiten sowohl vor als auch nach der Geburt des Kindes aufgrund einer Berufstätigkeit voraus (EuGH Urteil vom 19. 7. 2012, C - 522/10).

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Juli 2013 wird zurückgewiesen.

Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellung von Kindererziehungszeiten für die Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum 31. Oktober 2004 und von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung im Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis zum 28. Februar 2009.

Die 1971 in Spanien geborene Klägerin ist spanische Staatsbürgerin und im September 1994 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Ab November 1995 übte sie verschiedene versicherungspflichtige Tätigkeiten im Bundesgebiet aus, zuletzt vom 1. September 1998 bis 31. Juli 1999 bei der Cbank in F/M. Im September 1998 heiratete sie in F den deutschen Staatsbürger R O, mit dem sie zwei gemeinsame Kinder, die 1999 geborene Tochter A und den 2001 in Barcelona geborenen Sohn D hat. Die Klägerin hielt sich seit 24. Oktober 2001 in Spanien auf.

Der Ehemann der Klägerin war bis Dezember 2001 in Deutschland für die Einzelhandelskette L versicherungspflichtig beschäftigt und ab Januar 2002 in Spanien für die Einzelhandelskette L tätig. Es bestand für die Zeit ab Januar 2002 ein Arbeitsvertrag mit L Spanien; Sozialversicherungsbeiträge wurden nach spanischem Recht entrichtet. Bei diesem Beschäftigungsverhältnis handelte es sich nicht um eine Entsendung im Sinne des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV).

Am 6. August 2008 beantragte die Klägerin die Feststellung von Kindererziehungszeiten sowie Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung

Mit Bescheid vom 29. April 2009 merkte die Beklagte die Zeit vom 1. Oktober 1999 bis 30. September 2002 als Kindererziehungszeit (für die Erziehung der Tochter) sowie die Zeit vom 16. September 1999 bis zum 31. Juli 2008 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung (für die Erziehung der Tochter) vor, lehnte jedoch die Anerkennung der Zeit vom 1. November 2001 bis zum 31. Oktober 2004 als Kindererziehungszeit (für die Erziehung des Sohnes) sowie die Zeit vom 24. Oktober 2001 bis zum 28. Februar 2009 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung (für die Erziehung des Sohnes) ab und führte insoweit zur Begründung aus, eine Anerkennung könne nicht stattfinden, da das Kind in dieser Zeit im Ausland erzogen worden sei.

Den dagegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 2010 zurück und führte zur Begründung unter anderem aus, die Klägerin und ihre Kinder hätten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Zeit ab November 2001 durchgehend in Spanien gehabt. Weder sie noch ihr Ehegatte habe unmittelbar vor der Geburt der Kinder oder während der im Ausland zurückgelegten Kindererziehungszeiten bzw. -berücksichtigungszeiten Pflichtbeitragszeiten in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund einer in Spanien ausgeübten Beschäftigung zurückgelegt. Die Voraussetzungen einer Entsendung und eines Rumpfarbeitsverhältnisses im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts könnten für die Auslandsbeschäftigung des Ehemannes der Klägerin in Spanien nicht bestätigt werden. Eine Integration in die deutsche Arbeits- und Erwerbswelt habe während des Auslandsaufenthaltes nicht vorgelegen.

Die anschließende Klage hat das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 18. Juli 2013 abgewiesen und zur Begründung unter anderem ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Vormerkung von Zeiten der Erziehung ihres Sohnes. Gemäß § 56 Abs. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) würden Kindererziehungszeiten angerechnet, wenn die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzurechnen sei, eine Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt sei oder einer solchen gleichstehe und der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen sei. Im Fall der Klägerin stehe der Anrechnung einer Kindererziehungszeit entgegen, da...

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