Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherung. Beitragspflicht von in der Freistellungsphase ausgezahltem Wertguthaben bis zur im Zeitpunkt der Auszahlung geltenden Beitragsbemessungsgrenze. Beschäftigung. Wertguthaben dienen nicht der Vermögensbildung. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Auf in der Freistellungsphase ausgezahlte Wertguthaben sind, solange der Auszahlungsbetrag die im Zeitpunkt der Auszahlung geltende Beitragsbemessungsgrenze nicht überschreitet, Beiträge zur Sozialversicherung zu erheben, unabhängig davon, ob dieses Wertguthaben aus Arbeitsentgelt herrührt, das zum Zeitpunkt seiner Erwirtschaftung, dh in der aktiven oder sog Ansparphase, die damals geltende Beitragsbemessungsgrenze überschritt.

2. Wertguthaben dienen nicht der (privaten) Vermögensbildung, und eine gesetzliche Pflicht, Wertguthaben einer der Wertsteigerung dienenden Geldanlage zuzuführen, bestand nach der bis zum 31.12.2008 geltenden Rechtslage nicht.

3. Die unterschiedliche Behandlung von aus Arbeitsentgelt jenseits der Beitragsbemessungsgrenze gebildeten Wertguthaben im Regelfall einerseits - dann generell Beitragspflicht - und im sog Störfall nach § 23b Abs 2 SGB 4 andererseits führt nicht zu einem Gleichheitsverstoß.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 20.03.2013; Aktenzeichen B 12 KR 7/11 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 13. November 2007 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2) und 3), die diese selbst tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die klagende Arbeitgeberin verpflichtet ist, an die beklagte Einzugsstelle für Arbeitsentgelt, das oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegt und erst in der Zeit einer Freistellung von der Arbeitsleistung fällig wird, Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung zu zahlen.

Die Klägerin schloss mit der bei ihr beschäftigten Beigeladenen zu 3), die seit dem 1. Januar 2000 bei einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von 6.900.- DM (3.527,91 €) bei ihr beschäftigt ist, am 31. August 2004 eine als “Flexlife„ bezeichnete Vereinbarung, die auszugsweise wie folgt lautet:

Präambel

Die nachfolgende Vereinbarung dient der flexiblen und individualisierten Lebensarbeitszeitregelung des Arbeitnehmers durch die Umwandlung von Arbeitsentgeltbestandteilen in Zeitguthaben, die für Freistellungsphasen genutzt werden können.

§ 1 Definitionen

1. - 4. […]

5. Freistellungsphasen sind solche Zeiträume, in denen der Arbeitnehmer unter Fortbestand seines Beschäftigungsverhältnisses zum Arbeitgeber keine Arbeitsleistung zu erbringen hat. Der Arbeitgeber schuldet in den Freistellungsphasen anstelle des arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitslohnes eine Vergütung im Rahmen des § 9 der Umwandlungsvereinbarung.

6. - 9. […]

§ 2 Einbringungsfähige Beiträge

1. Der Arbeitnehmer kann mittels Kürzungserklärung auf die Auszahlung seines arbeitsvertraglich vereinbarten Bruttoentgelts […] zu Gunsten der Gutschrift dieser Beträge auf das Arbeitszeitkonto verzichten, soweit die entsprechenden Gehaltsbestandteile noch nicht fällig sind. […]

2. Nicht möglich ist die Erfassung folgender Beträge auf dem Arbeitszeitkonto:

- Barmittel, die nicht aus dem Arbeitsverhältnis stammen, sowie

- sonstige Zahlungen, die kein Arbeitsentgelt darstellen.

§ 3 Abwicklung

1. Verzichtet der Arbeitnehmer gem. § 2 Absatz 1 durch Abgabe der Kürzungserklärung auf die Auszahlung von Bruttoentgeltbestandteilen, so werden diese vom Arbeitgeber zu dem Zeitpunkt, zu dem sie ohne Vorliegen der Kürzungserklärung zur Auszahlung fällig wären, auf das Arbeitszeitkonto eingezahlt.

2. - 3. […]

§ 4 Anlage […]

§ 5 Freistellung

1. Der Arbeitnehmer kann schriftlich beantragen, dass das Wertpapierguthaben ganz oder teilweise für die Gewährung von Freistellungsphasen

a) zum Zwecke der Verkürzung der Lebensarbeitszeit und/oder

b) für sonstige Freistellungsphasen (Kinderbetreuung etc.)

verwendet wird. Der Arbeitgeber entscheidet hierüber schriftlich binnen vier Wochen nach Zugang des Antrags.

2. […]

3. Die Gewährung von sonstigen Freistellungsphasen steht im Ermessen des Arbeitgebers.

4.- 6. […]

7. Sofern das Wertpapierguthaben bis zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses aufgrund Erreichens des gesetzlichen Renteneintrittsalters des Arbeitnehmers nicht oder vollständig für Freistellungsphasen gemäß Absatz 1 verbraucht wird, ist das verbleibende Wertpapierguthaben entsprechend der Entscheidung des Arbeitnehmers

a) in Beiträge zu einer betrieblichen Altersversorgung umzuwandeln oder

b) zum 31.12. des Jahres, in dem das Beschäftigungsverhältnis endet, an den Arbeitnehmer auszuzahlen oder

c) in fünf gleichen Jahresraten jeweils zum 31.12. eines Jahres an den Arbeitnehmer auszuzahlen. […]

§ 6 Härtefall

1. Der Arbeitnehmer kann bei Vorliegen eines Härtefalles die unverzügliche teilweise oder vollständige Auszahlung des Wertpapierguthabens anstelle der ...

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