Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Halswirbelsäule als Berufskrankheit nach BKV Nr. 2109. Langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter. Raumausstatter

 

Orientierungssatz

1. Von der Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2109 der BKV werden bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter erfasst. Durch die spezifischen, der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden besonderen Einwirkungen muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Halswirbelsäule entstanden sein. Der Versicherte muss infolgedessen gezwungen gewesen sein, alle gefährdenden Tätigkeiten aufzugeben, vgl. BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R.

2. Unter den beruflichen Faktoren, die bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule verursachen oder verschlimmern können, stehen fortgesetztes Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, einhergehend mit einer statischen Belastung der zervikalen Bewegungssegmente und mit einer außergewöhnlichen Zwangshaltung der Halswirbelsäule im Vordergrund.

3. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK nach Nr. 2109 BKV liegen bei einer mindestens 10-jährigen Tätigkeit mit Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, dem Tragen von Lastgewichten mit 50 kg oder mehr auf der Schulter vor, wenn die Lasten mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Häufigkeit in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten getragen wurden. Diese Voraussetzungen sind bei der Tätigkeit eines Raumausstatters nicht erfüllt.

 

Normenkette

SGB VII § 7 Abs. 1, § 9 Abs. 1; BKV Anl. 1 Nr. 2109

 

Tenor

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Potsdam vom 29. September 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt gegenüber der Beklagten die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2109 der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung (BKV; bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule ≪HWS≫ durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können - BK 2109).

Der 1964 geborene Kläger durchlief ab dem 01. September 1980 beim Zeugen S eine Ausbildung als Raumausstatter, welche er erfolgreich abschloss, und war bis zum 31. Dezember 1984 im Ausbildungsbetrieb beschäftigt. Im Anschluss arbeitete er, unterbrochen durch die zwischenzeitliche Ableistung seines Grundwehrdiensts, bis zum 31. Dezember 1991 im Raumausstatterbetrieb seines Vaters, des Zeugen F. Seit 1992 ist er in seinem Ausbildungsberuf - zuletzt in Teilzeit - selbständig tätig.

Er zeigte formularmäßig unter dem 24. Januar 2006 bei der Beklagten einen Bandscheibenvorfall in der HWS mit nachfolgender operativer Einbringung einer Prothese, Schmerzen in Nacken und Armen, Schwindelgefühle, Unbeweglichkeit, Unfähigkeit, schwer zu heben oder zu tragen (über 10 kg), als Anhaltspunkte einer BK an. Als Einwirkungen benannte er Überkopfarbeiten, schweres Heben, ständig gebeugt oder kniend. Als gefährdende Tätigkeiten gab er Tapezierarbeiten, Fußbodenlegearbeiten, Dekorationsarbeiten, Polsterarbeiten an. In seiner ausführlichen Tätigkeitsbeschreibung vom 13. März 2006 gab er zum Tätigkeitsbereich “Fußboden verlegen„ u.a. an, mit schweren Geräten von 20 bis 50 kg zu hantieren und Bodenbelagsrollen von 15 bis 40 kg (je nach Qualität des Belags) mit verdrehtem Oberkörper und ausgestreckten Armen zu heben. Im von der Beklagten zur Verfügung gestellten Fragebogen gab er u.a. an, seine Tätigkeit wegen der Wirbelsäulenbeschwerden nicht gewechselt zu haben. Die im Fragebogen enthaltene Frage, ob an seinem Arbeitsplatz technische oder organisatorische Maßnahmen getroffen worden seien, die zur Verringerung oder Unterlassung von wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten geführt hätten, gab der Kläger an: “Arbeitsplatzerhöhung„. Auf dem von der Beklagten zur Verfügung gestellten Erhebungsbogen zur Ermittlung der Belastung durch Heben und Tragen von Lasten etc. gab der Kläger an, von Hand Gegenstände von 10 bis 40 kg, durchschnittlich von 15 bis 20 kg gehoben haben zu müssen. Als technische Hilfsmittel seien Tragegurte und Zangen benutzt worden. Die Gegenstände habe er 20mal pro Arbeitstag bei 200 Arbeitstagen im Jahr heben und über größere Entfernungen (30 bis 50 m) tragen oder halten müssen. Die Gegenstände habe er vor dem Körper, an der Seite, seitwärts mit verdrehtem Oberkörper, auf der Schulter und auf dem Rücken tragen müssen.

Die Beklagte ermittelte zunächst zur BK 2108 (bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule ≪LWS≫ durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufl...

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