Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. Merkzeichen "G". Verordnungsermächtigung. Gleichstellung mit Regelfällen wegen besonderer Umstände. psychische Störungen. Bewusstseinsstörungen. Gleichgewichtsstörungen. Notwendigkeit weiterer Ermittlung. Divergenten bei Beweiswürdigung. Schwerbehindertenrecht: Zuerkennung des Merkzeichen “G„ wegen Mobilitätseinschränkungen. Voraussetzung der Annahme einer der Epilepsie vergleichbaren Störung. Anforderungen an die Auswirkung psychologischer Störungen zur Begründung einer Beeinträchtigung des Gehvermögens

 

Orientierungssatz

1. Erleidet ein Schwerbehinderter im Abstand mehrerer Monate Schwindelanfälle mit teilweisem kurzzeitigem Bewusstseinsverlust, so genügt dies für sich genommen noch nicht zur Zuerkennung des Merkzeichens “G„ für Bewegungseinschränkungen im Straßenverkehr, da die Beeinträchtigung aufgrund der geringen Häufung nicht mit epileptischen Anfällen vergleichbar ist.

2. Psychische Störungen, die sich lediglich indirekt auf die Mobilität und nicht unmittelbar auf das Gehvermögen auswirken (hier: Verstimmungen und Antriebsminderung) können die Zuerkennung des Merkzeichens “G„ wegen Bewegungseinschränkungen im Straßenverkehr für einen Schwerbehinderten nicht begründen.

3. Einzelfall zum Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens “G„ wegen Mobilitätseinschränkungen im Straßenverkehr.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. November 2008 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten. Die Kostenentscheidung in dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. November 2008 bleibt hiervon unberührt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt (noch) die Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen “G„ (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr).

Der 1957 geborene Kläger erlitt im Mai 1994 einen Verkehrsunfall, bei dem er als Fußgänger von einer Straßenbahn erfasst wurde. Die Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik (BG) erkannte den Unfall als Arbeitsunfall an und gewährte dem Kläger mit den Bescheiden vom 6. Oktober 1995 und 19. April 1996 zunächst eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30. Als Arbeitsunfallfolgen erkannte die BG an:

Ohrenrauschen links und Gleichgewichtsstörungen mit Belastungs- und Lageschwindel nach Schädel-Hirntrauma II. bis III. Grades; leichte Bewegungseinschränkung bei der Dorsalflexion der linken Hand, Minderung der groben Kraft links gegenüber rechts um ein Drittel nach konsolidiertem knöchernem Bandausriss der linken Handwurzel; in guter Stellung knöchern fest verheilter Basisbruch des ersten Mittelhandknochens rechts; knöchern fest in guter Stellung verheilte vordere Beckenringfraktur rechts sowie Pfannenbruch rechts; fest verheilte Seitenbandläsion außen am linken Knie bei seitengleicher freier Beweglichkeit beider Kniegelenke; geringe Verschmächtigung der Oberschenkelmuskulatur rechts, geringe Bewegungseinschränkung im oberen und unteren Sprunggelenk rechts, leichte posttraumatische Arthrose im rechten Sprunggelenk, Operationsnarbenbildung am rechten Fuß nach in guter Stellung knöchern fest verheilter operativ versorgter Sprunggelenkfraktur rechts.

Mit Bescheid vom 12. Juni 2002 gewährte die BG dem Kläger eine Unfallrente nach einem Grad der MdE von 50 für den Zeitraum ab 1. April 2001 und erkannte insoweit als weitere Arbeitsunfallfolgen an:

Verschlimmerung der neuropsychologischen Ausfälle und Leistungsbeeinträchtigung als Folge des hirnorganischen Psychosyndroms, seitliche Instabilität im linken Kniegelenk.

Grundlage hierfür waren die von der BG veranlassten Gutachten der Psychologin K vom 22. September 2001, des Arztes für Neurologie Dr. M und der Ärztin Dr. K vom 19. Oktober 2001, des Arztes für Hals- Nasen- und Ohrenheilkunde Prof. Dr. A vom 5. April 2002 und des Arztes für Chirurgie Dr. P vom 6. Mai 2002.

Mit Bescheid vom 26. April 2006 stellte die BG ohne Änderung des festgestellten Grades der MdE von 50 als weitere Unfallfolge fest:

Leichte Minderung der Sensibilität an der linken Hand, den Fingern I bis III sowie am radialen Anteil des IV. Fingers links nach Schädigung des Nervus medianus links distal.

Auf den Erstantrag vom 8. April 1997 stellte der Beklagte bei dem Kläger mit Bescheid vom 13. März 1998 einen Grad der Behinderung (GdB) von 40 fest und berücksichtigte hierbei Arbeitsunfallfolgen mit einem Einzel-GdB von 30 und degenerative Halswirbelsäulen- und Lendenwirbelsäulenveränderungen mit chronischen Schmerzsyndromen mit einem Einzel-GdB von 20. Nach Ablehnung des Neufeststellungsantrages des Klägers vom 19. Januar 2001 veranlasste der Beklagte in dem sich daran anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Berlin - S 42 SB 3051/01 - eine versorgungsärztliche Stellungnahme der Ärztin für Neurologie und Ps...

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