Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem Notarzt

 

Orientierungssatz

1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

2. Für eine Weisungsgebundenheit eines als Notarzt tätigen Mediziners reicht es nicht aus, dass von diesem bei der Ausübung seiner Dienstleistung bestimmte öffentlich-rechtliche Vorgaben zu beachten sind. Ist ausdrücklich Weisungsfreiheit vereinbart und wird die Einteilung zum Dienstplan in Absprache mit dem Auftraggeber durchgeführt, so spricht dies gegen das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung.

3. Erfolgt die Vergütung nach einem vereinbarten Stundensatz, ist der Notarzt nicht in den Rettungsdienst eines Krankenhauses integriert, sondern muss er lediglich sicherstellen, dass er im Fall eines Notfallalarms in vertretbarer Zeit am Notfalleinsatzfahrzeug ist und kann er die Übernahme eines Dienstes nach Kenntnisnahme ablehnen, so liegt keine abhängige Beschäftigung, sondern selbständige Tätigkeit vor.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 8. Mai 2015 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit ist der sozialversicherungsrechtliche Status des Beigeladenen zu 1) in seiner Tätigkeit als Notarzt. Im Streit ist lediglich noch die Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung.

Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über den Rettungsdienst im Land Brandenburg (Brandenburgisches Rettungsdienstgesetz - BbgRettG) vom 14. Juli 2008 (GVBl. I/08 S. 186) haben alle in einem Rettungsbereich gelegenen Krankenhäuser dem Träger des Rettungsdienstes das für die notärztliche Versorgung erforderliche Fachpersonal zur Verfügung zu stellen. Reicht die Leistungsfähigkeit der in dem Rettungsdienstbereich gelegenen Krankenhäusern nicht aus, um die Notarztstandorte zu besetzen, können niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sowie ärztliches Personal sonstiger geeigneter Einrichtungen im Notarztdienst mitwirken. Für die Personalgestellung leisten die Träger des Rettungsdienstes den Krankenhäusern eine kostendeckende Vergütung. Träger des bodengebundenen Rettungsdienstes sind nach § 6 Abs. 1 BbgRettG die Landkreise und kreisfreien Städte.

Am Standort des Krankenhauses der Klägerin in K L befindet sich ein Stationierungsort eines Notarzteinsatzfahrzeuges der vom Träger des Rettungsdienstes inklusive der notwendigen medizinischen Geräte, Hilfsmittel und Medikamente vorgehalten wird. Die Klägerin stellt in ihrem Krankenhaus lediglich ein Bereitschaftszimmer zur Verfügung, in dem sich der jeweils diensthabende Notarzt aufhalten kann, aber nicht muss.

Der Beigeladene zu 1), der niedergelassener Arzt ist, und der nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung wegen der Mitgliedschaft in der Ärzteversorgung des Landes Brandenburg befreit ist, war in der Vergangenheit als Notarzt am Standort K tätig. Grundlage seiner Tätigkeit ist ein als “Honorarvertrag„ überschriebener Vertrag. Dieser Vertrag den der Beigeladene zu 1) mit der Klägerin am 21. Dezember 2009 geschlossen hat, hat den folgenden Inhalt (u.a.):

§ 1

Inhalt der Tätigkeit

(1) Der Auftraggeber vereinbart mit dem Auftragnehmer im gegenseitigen Einvernehmen, dass der Auftragnehmer ab 29. Oktober 2009 im Rahmen der ihm übertragenen notärztlichen Versorgung im öffentlichen Rettungsdienst am Standort L auf den seitens des Trägers des Rettungsdienstes bereitgestellten Fahrzeugen als Notarzt arbeitet. Der Auftragnehmer nimmt den Auftrag an.

§ 2

Durchführung des Dienstes

(1) Für die Aufgaben des Auftragnehmers als Notarzt wird auf das Rettungsdienstgesetz ergänzend Bezug genommen.

(2) Der Auftragnehmer wird infolge der im Rahmen der ärztlichen Versorgung bestehenden besonderen Anforderungen an die fachliche Qualifikation selbst tätig. Bei Abschluss dieses Vertrages weist der Auftragnehmer dem Auftraggeber seine Approbation und seine Qualifikation für den Rettungsdienst (…) nach. (…)

(3) Der Auftragnehmer verpflichtet sich, eigenverantwortlich dafür Sorge zu tragen, dass er sich theoretisch und praktisch, insbesondere im Rahmen der standesrechtlichen Verpflichtungen, fortbildet. Es besteht eine Fort- und Weiterbildungspflicht. Der Auftraggeber kann diesbezüglich Nachweise verlangen.

(…)

§ 4

Rechtstellung des Auftragnehmers

(1) Zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer kommt ...

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